PR 2694 – Todeslabyrinth
eingetroffen bist, habe ich mich gleich auf den Weg gemacht, um dir beizustehen. Das muss alles erschreckend für dich sein.«
»Allerdings«, sage ich wütend und überlege mir auszuprobieren, wie stofflich er ist und ob er wohl so etwas wie Schmerz empfindet, wenn meine Faust jetzt gleich in seinem Gesicht landet. »Und du trägst nicht gerade dazu bei, mich zu beruhigen.«
»Das Problem ist, du musst es aus dir heraus durchstehen. Ich kann dir beistehen, dich unterstützen, aber herausfinden musst du es selbst.«
Ich denke nach. »Du ... kannst es mir nicht sagen?«
»Gut erraten«, antwortet er. »Wenn ich es dir sage, läufst du Gefahr, für immer in diesem Komplex gefangen zu sein. Es ist dein eigenes Gefängnis, das du dir geschaffen hast.«
»Mein Labyrinth«, korrigiere ich. »Aus dem es einen Ausweg gibt.«
»Ein guter Anfang.« Diesmal lächelt er wirklich und wirkt ein wenig erleichtert.
»Bist du denn jetzt mit mir ein Gefangener?«
»Nein, ich kann jederzeit gehen. Aber ich kann dich nicht mitnehmen, du verstehst?«
»Ja, ich hab's inzwischen begriffen.«
Habe ich nicht. Aber das ist einerlei. So viel steht fest, der Andere will mir helfen. Ob aus guter oder böser Absicht, sei vorerst dahingestellt. Wichtig ist, dass er mich gerade gerettet hat. Ich werde schon herausfinden, wer er ist. Aber zuerst mal muss ich herausfinden, wer ich bin. Das ist wahrscheinlich der Schlüssel aus diesem Labyrinth hier heraus.
Ob es wirklich von mir geschaffen ist? Dann sollte ich doch viel leichter hinausfinden ...
Ich halte inne. »Hörst du das auch?«, flüstere ich.
Der Andere schüttelt den Kopf.
»Da ist ... wie ein Wispern in der Ferne ... Stimmen ... Es sind Worte, aber ich verstehe sie nicht ...«
»Kommt es näher?«
»Glaube schon ...«
Der Andere steht auf. »Sie haben uns gefunden. Wir müssen weiter.«
»Aber wie ist das möglich ...«, stammle ich verstört.
»Sie werden dich immer finden«, antwortet er. »Letztendlich ... kannst du ihnen nicht entkommen.«
*
Wir fliehen weiter. Wozu das Ganze?, denke ich bei mir. Wenn ich ihnen sowieso nicht entkommen kann?
»Sie werden mich töten, wenn sie mich haben, nicht wahr?«
»Gewissermaßen, ja.«
Es geht treppauf, treppab, ein wenig erinnert es mich wieder an Terrania, aber ich weiß, dort bin ich nicht. Wir erreichen ein Gebiet, das man in der realen Welt wahrscheinlich einen Slum nennen würde. Dort gibt es keine Rohbauten mehr, sondern nur heruntergekommene Bruchstücke von Mauern mit darübergespannten Stoffen. Ich bilde mir ein, Wesen entdecken zu können, die sich in die Ecken kauern, ängstlich und verschüchtert.
»Wer sind die?«, frage ich meinen Begleiter.
»Niemand«, antwortet er.
Das kann ich so oder so auslegen. Ich hake aber nicht nach, das bringt sowieso nichts.
Wir bleiben stehen. Ich höre Schritte, viele eilige Schritte und Rufe. »Sie kommen näher«, raune ich, und die Angst kehrt zurück. »Ich will nicht sterben ...«
»Deswegen sind sie ja wütend. Du entziehst dich ihnen. Sie wollen in die eine Richtung, du vielleicht in die andere.«
»Vielleicht?«
»Deine Entscheidung ist noch nicht gefallen, mein Freund. Und gerade darum geht es ja.«
Er will mich weiterziehen, doch ich weigere mich.
Und überlege es mir im nächsten Moment anders, als sie kommen. Es sind viele, verdammt viele. Das Wispern in meinen Ohren wird immer lauter, drängender, es geht alles durcheinander, genau wie bei den singenden Häusern oben. Ich halte mir die Ohren zu, aber sie dringen mühelos durch.
»Komm!«
Der Andere ergreift mich am Arm und zieht mich mit sich. Zu einem Gebäude, das seinen Eingang im ersten Stock hat. Unter der Treppe, die dorthin führt, gibt es einen Hohlraum, einen mit einer Tür abgesicherten Verschlag. Dort verstecken wir uns.
Und da kommen sie auch schon, rennen, laufen, trampeln, rufen. Ich sehe sie durch einen schmalen Spalt zwischen Tür und Angel. Eine Flut an Schemen fließt an mir vorbei, während ich mich verborgen halte und möglichst nicht denke, versuche, unsichtbar zu sein, und zwar vollständig.
Aber anscheinend darf ich nicht entkommen. Meine Hand krallt sich in den Arm des Anderen, als die Tür sich auflöst.
Verraten vom Labyrinth selbst? Das darf nicht sein!
Schon werden einige Gestalten langsamer, drehen suchend den Kopf, als würden sie wittern.
Der Andere beugt sich zu mir. »Verhindere es«, wispert er in mein Ohr. »Du kannst es – und nur du.«
Jetzt sind einige
Weitere Kostenlose Bücher