PR 2701 – Unter der Technokruste
normalen Universum.
Ob das in der Milchstraße war oder in Andromeda oder in irgendwelchen unbekannten Gefilden, war Antonin fast gleichgültig. Er wollte nur den Himmel sehen. Die Sterne. Er hatte nie den Drang verspürt, Luna zu verlassen, weil es seine Heimat war – aber er wollte es zumindest theoretisch können.
Doch Earthart als Administrator hatte beschlossen, nur die direkt mit dem Sondenprojekt beschäftigten Wissenschaftler intern zu informieren. Alle anderen waren außen vor geblieben. Darum blieb Antonin nichts anderes übrig, als den Beginn der Luna-News- Sendung abzuwarten, in der Earthart auftreten und die neuen Forschungsergebnisse der Sonde der Öffentlichkeit vorstellen wollte.
Tamea kaute auf einer Shrom-Wurzel wie meistens, wenn sie sich am Abend entspannten. Antonin fand, dass dieses Zeug furchtbar schmeckte. Schon der Geruch verursachte ihm Übelkeit; es kostete ihn sogar Überwindung, seine Frau zu küssen, nachdem sie zuvor auf der Wurzel gekaut hatte. Sie stank stundenlang danach.
Aber er beschwerte sich nicht. Schließlich tat es Tamea nicht, weil sie es sonderlich mochte. Angeblich half es, die Fruchtbarkeit zu steigern, und Tamea litt selbst am meisten von ihnen dreien darunter, dass ausgerechnet sie genetisch gesehen die Schuld daran trug, dass sie kein Kind empfangen konnte.
Medizinische Mittel waren längst am Ende angelangt, und so versuchte sie es mit ... esoterischem Mistzeug wie dieser Wurzel. Antonin hielt nichts davon. Aber er stellte sich ihr auch nicht in den Weg, weil er sah, wie sie litt. Seiner Meinung nach versteifte sie sich geradezu darauf, endlich schwanger zu werden.
Vielleicht klappte es gerade deshalb nicht. Man durfte die psychische Komponente bei dieser ganzen Angelegenheit nicht vergessen, das hatte dieser geschnöselte Lackaffe auch gesagt, der Cheborparner mit seinen gefeilten und gepiercten Hörnern, der sich hochtrabend Paartherapeut nannte und seinen Namen groß am Eingang seiner Praxis zur Schau stellte. Es musste sich dabei geradezu um ein Pseudonym handeln, denn das konnte kein Zufall sein. Sekantoran Xalamanda alias SeX – und das bei diesem Beruf, meine Güte!
Endlich tauchte Administrator Eartharts markantes Gesicht in der 3-D-Wiedergabe des Schirms auf. Wie immer war er perfekt geschminkt, wie immer scheinbar schlecht rasiert. Das gehörte zu seinem öffentlichen Image. Die Menge stand darauf, er wirkte dadurch offenbar sympathischer.
Antonin konnte nichts damit anfangen. Er selbst rasierte sich täglich gleich zweimal, morgens und abends. Aber wenn er Tamea Glauben schenken wollte – und das tat er in Geschmacksdingen eigentlich immer, weil sie ein untrügliches Gespür hatte –, ließen sich derlei Methoden ohnehin nicht von einem Menschen auf den nächsten übertragen.
Ihm war es gleichgültig, ob Earthart nun sympathisch wirkte oder nicht. Es spielte für Antonin nicht einmal eine Rolle, ob der Administrator tatsächlich sympathisch war. Es hatte mit seinen politischen Fähigkeiten in etwa so viel zu tun wie ...
»Ich weiß, dass ihr alle auf diesen Moment gewartet habt«, sagte Earthart in diesem Augenblick live aus dem Übertragungsstudio in Luna City. Es lag weniger als drei Kilometer von der Wohnung der Sipieras entfernt. »Ich muss wohl keinem von euch etwas über die Hintergründe des Projekts erzählen. Wir haben die Spezialsonde, die das Zentrum unserer Bemühungen in den letzten Wochen und Monaten bildete, vor acht Stunden in den Schacht geschickt.«
Der Administrator legte eine Pause ein. Golo seufzte, trommelte mit den Fingern auf seinem Knie, eine der wenigen Eigenarten an ihm, die Antonin so gar nicht leiden konnte.
Endlich fuhr Kolin Earthart fort: »Ich hätte euch gern eine bessere Nachricht überbracht, aber ihr verdient die Wahrheit, und ihr verdient sie ungeschönt. Die Sonde ist in den Tiefen des Schachtes verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Genau wie bei allen Versuchen vorher. Unsere Schutzvorkehrungen haben sich als nicht ausreichend erwiesen. Die technischen Vorbereitungen haben versagt.
Ich nehme die Schuld daran in vollem Maß auf mich, denn ich habe die Freigabe erteilt. Ich war von diesem Projekt völlig überzeugt und wurde nun eines Besseren belehrt. Wahrscheinlich bedauere ich es noch mehr als ihr. Es geht uns alle an.«
Es blieb ruhig, als der Administrator erneut für einige Zeit schwieg. Natürlich hielt er die Ansprache unter Ausschluss eines direkten Publikums. Wären Journalisten anwesend,
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