PR 2701 – Unter der Technokruste
Jahrtausenden in Kontakt mit anderen Wesen«, sagte Antonin. »Ich weiß also genau, wovon du redest.«
»Wurde über meinen Asylantrag schon entschieden?«, wechselte Hannacoy abrupt das Thema.
»Du verstehst sicher, dass das nicht so schnell geht. Wir wissen zu wenig – etwa noch nicht einmal, wie viele Mannschaftsmitglieder und Passagiere in der TUUCIZ leben. Gehören sie alle zu deinem Volk?«
»Selbstverständlich sind wir alle Onryonen«, sagte Fheyrbasd Hannacoy mit deutlich verwundertem Unterton. »Und die Besatzungsliste ... ja, ich werde euch die aktuellen Statistiken natürlich gerne aushändigen.«
»Was wisst ihr über den Schacht? Also die Laterale, wie ihr sie nennt?«
»Wir beherrschen sie ... teilweise.«
»Aber ihr könnt sie nicht verlassen?«
»Ebenso wenig wie ihr, vermute ich«, sagte der Onryone. »Zumindest nicht mit den Mitteln, wie sie uns an Bord meines Raumvaters zur Verfügung stehen. Auf eurer Welt mag das anders aussehen, falls wir auf neue Ressourcen zugreifen können. Es gibt einen großen Vorteil.«
Antonin wartete gespannt ab, und er sah in den Gesichtern der anderen, dass es ihnen genauso ging. Leila Toran rümpfte die Nase, dass sich die Falten zwischen ihren Augenbrauen verschoben, wie sie es oft tat, wenn sie angespannt war. Für die, die sie persönlich kannten, war sie ein offenes Buch.
»Eure Welt trägt noch eine vierdimensionale Koordinatenprägung, was sehr gute Voraussetzungen bringt. Nicht auszuschließen, dass wir es mithilfe unserer Technologie vermögen, den Mond aus der n-dimensionalen Laterale ausbrechen zu lassen. In diesem Fall kehrt er automatisch an seinen angestammten Platz im normalen Universum zurück. Eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht.«
Antonin fühlte, wie seine Handinnenflächen feucht wurden. Nicht, dass er alles begriffen hätte, was der Onryone soeben gesagt hatte – aber diese fast beiläufig hingeworfenen Worte umrissen unzweifelhaft die größte Chance, seit Luna durch den Schacht stürzte.
Endlich gab es Hoffnung.
Und Hannacoy sah ihn aus seinen goldenen Augen unbewegt an.
*
Hannacoy gestattete in einer gönnerhaften Geste, dass die große Mondpositronik NATHAN den Zentralrechner seines Schiffes überprüfen durfte.
Es kam nichts Verdächtiges ans Licht; natürlich nicht, wie Golo als NATHAN-Spezialist betonte. Sonst hätte Hannacoy diese Durchsuchung erst gar nicht erlaubt. Da hätte man es sich auch gleich sparen können.
Von dem Misstrauen, das ihm immer verbitterter vorkam, ließ sich Antonin nicht anstecken. Er erklärte sich Golos schlechte Laune damit, dass es ihm ebenso wie Tamea von Tag zu Tag mehr zu schaffen machte, dass sie kein Kind bekommen konnten.
Dabei war alles längst vorbereitet – eine perfekte genetische Mischung aus Antonins und Golos besten Anlagen wartete darauf, in Tameas Eizelle eingepflanzt zu werden. Genauer gesagt war das bereits einige Male geschehen, doch stets hatte der Körper ihrer Ehefrau mit einer Abstoßung reagiert.
Die Situation zehrte an den Nerven, das musste Antonin zugeben, aber er sah es nicht so verbissen. Es blieb noch viel Zeit, in der sie es immer wieder versuchen konnten.
Und wer wusste schon, ob Luna tatsächlich mithilfe der Fremden den Schacht verlassen würde? Zurück im normalen Universum, lief alles vielleicht ganz problemlos. Zwar gab es auch in den letzten Jahren zahllose Geburten, andere Frauen schienen nicht beeinträchtigt zu sein – aber womöglich reagierte Tamea auf die besonderen Umstände eben besonders sensibel.
Die Administratorin Leila Toran wies Fheyrbasd Hannacoy und den übrigen Onryonen ein Siedlungsgebiet auf der Rückseite des Mondes zu; jener Hälfte, die normalerweise stets von Terra abgewandt bliebe.
Die Besiedlung fand seit Jahrtausenden traditionellerweise auf der erdzugewandten Seite statt – die dunkle Hälfte war das Gebiet der Fabriken und Fertigungsanlagen. Dort arbeiteten weitgehend automatisierte Industrieanlagen, schürften Erze, erzeugten Stähle, fertigten Gebrauchsgüter. Etliche dieser Anlagen lagen seit Jahren still, weil es für die Waren keine Abnehmer mehr gab.
Die Onryonen beschwerten sich nicht, sondern nahmen den Siedlungsraum dankbar an. Die TUUCIZ verlagerte ihre Position dorthin, und gut 4000 neue Siedler ließen sich in den kommenden Wochen dort nieder. Arbeitsroboter demontierten Beiboote und fertigten daraus Wohngebäude, deren Wände ebenso aus sich heraus rot leuchteten wie das Schiff selbst.
So
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