PR 2702 – Das positronische Phantom
unglaubliche Glück, das ich bei deiner Geburt verspürt habe?
Mir scheint, dass ich für jeden guten Augenblick in meinem Leben zehn schlechte hinnehmen muss.
Ich liebe dich, Pri. Bitte, komm wieder zurück.
1520 NGZ (Lunare Zeit)
Heute ist ein schlechter Tag.
Ich fürchte, ich habe endgültig mit Golo gebrochen – oder er mit mir.
Dabei wollte ich doch nur unbedingt das Richtige tun. Der Frieden zwischen den Lunarern und Onryonen hat sich als stärker erwiesen als erwartet. Das hatte nicht nur mit der neuen Ordnung zu tun, auch das Techno-Rhizom hat sich nicht mehr so aggressiv ausgebreitet wie zuvor und dadurch etliche Spannungen zwischen unseren Völkern entschärft.
Wegen der intensiver werdenden Mondbeben haben die Onryonen darum gebeten, sie beim Bau des Reportals mit Rechenkraft zu unterstützen. Je schneller wir Luna aus dem Schacht befreien, desto kleiner wird die Gefahr, bei einem finalen Beben gemeinsam umzukommen.
Ich habe nicht lange gezögert. Es war eine einmalige Chance, unsere Zusammenarbeit auf eine neue Stufe zu stellen.
Freilich sahen es nicht alle gleich. Insbesondere Golo wehrte sich mit Händen und Füßen, den Onryonen Zugriff auf NATHANS Rechenkapazitäten zu gewähren.
Ich warf Golo vor, dass er mir wegen unserer familiären Ressentiments jeden nur erdenklichen Stein in den Weg legte. Im Gegenzug warf er mir vor, seine Meinung bezüglich der Sicherheit unserer Biopositronik ebenso wenig zu respektieren, wie ich es in Bezug auf die Erziehung unserer Tochter tun würde.
Der Streit zwischen uns wurde bei jedem Gespräch größer – und hörte auch nicht auf, wenn wir uns abends zu Hause wiedersahen.
Tamea litten genau wie du stark unter den immer gehässiger geführten Disputen.
Schließlich konnte ich nicht mehr anders und setzte Golo kraft meines Amtes als Lunarer Resident ab. Noch am gleichen Tag gewährte ich den Onryonen den gewünschten NATHAN-Zugriff, damit sie das Reportal mit aller Kraft vorantreiben konnten.
Mit einem Schlag waren die Streitigkeiten beendet. Golo und ich hatten uns nichts mehr zu sagen, eisiges Schweigen herrschte.
Einige Zeit war er noch zu Hause, kümmerte sich um dich und ging anderen Tätigkeiten nach.
Letzte Woche verschwand Golo ebenso plötzlich wie spurlos.
Um Tamea und dich, meine liebste, verzweifelte Tochter, nicht vor den Kopf zu stoßen, setzte ich alle Hebel in Bewegung, um Golo zu finden.
Aber er ließ sich nicht aufspüren – wollte offenbar nicht gefunden werden. Wie es schien, hatte er sein Verschwinden minutiös vorbereitet.
Er hinterließ keinen Abschiedsbrief – dafür fandest du den kleinen Summzwerg in deinem Zimmer: ein handspannengroßes Kunstwesen mit einem freundlichen Knittergesicht und übergroßen, samtweichen Trost- und Streichelhänden, das abends und zum Einschlafen die wunderbarsten Melodien summte.
Du gabst ihm seinen Namen: Loolon.
5.
22. Juni 1514 NGZ
Während Pri Sipiera ihnen die lunare Geschichte während des Transfers erzählte, stießen sie immer tiefer in die Bereiche vor, die von der Widerständlerin als NATHANS Privatgemächer bezeichnet worden waren.
Perry Rhodan wusste nicht, was ihn gerade mehr faszinierte: die Erzählung einer verzweifelten und sich im Angesicht der onryonischen Siedler – oder Besatzer? – langsam verändernden Luna-Bevölkerung oder der Anblick NATHANS.
Die biopositronisch-hyperinpotronische Großrechneranlage hatte sich in den letzten hundert Jahren weiter ausgebreitet, verästelt.
Früher hatte NATHAN-Kern die Nüchternheit aller Rechneranlagen gespiegelt: riesige Positronikblöcke, Energiemeiler, aufgestellt in klaren Reihen und Kolonnen, durchnummeriert, überwacht, gewartet, in einem antiseptischen Umfeld.
Was Rhodan nun sah, hatte nichts Nüchternes mehr an sich.
NATHAN hatte seinen Kern weitgehend umgestaltet. Die riesigen Positronikblöcke waren nach einem neuen und für Rhodan auf den ersten Blick nicht nachvollziehbaren Muster angeordnet worden. Zylinderförmige Energiemeiler ragten manchmal einen, manchmal zwanzig Meter aus dem Boden.
Halb transparente Kugeln schwebten frei im Raum. In ihnen entstanden und vergingen ständig neue Bilder in Schwarz-Weiß. Die Muster erinnerten Rhodan frappierend an den alten Rorschachtest, der in der klassischen Psychodiagnostik zur Anwendung kam.
Von den Kugeln führten durchsichtige Schläuche zu den Positronikblöcken, durch die Lichtreflexe pulsierten. Rhodan fragte sich, ob es sich bei diesen Kugeln
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