PR 2703 – Tod im All
auf die Quelle des Geräuschs zu. Sie entpuppte sich als Zugangsluke zu einem Wartungsschacht. Vorsichtig lugte er hinein. Mehrere Meter Kabel und Rohre führten geradewegs in die Eingeweide des Fragmentraumers. Dann teilte sich der Schacht.
Vom Balg war keine Spur mehr zu sehen. Er war ihnen entkommen.
7.
24. Juni 1514 NGZ, 02.27 Uhr
Khomo-Serenti-Klinik, Terrania City
In der Khomo-Serenti-Klinik am Rand des Terrania Space Port saß Sichu Dorksteiger auf einem Kontursitz und atmete tief durch. Die SEMT-Haube ruhte wieder auf ihrem Kopf, und Lhukas Scalsi wartete nur auf ihren Befehl.
»In Ordnung«, sagte sie. »Legen wir los.«
Diesmal gestaltete sich der Übergang nicht ganz so schmerzhaft und verwirrend. Wie es schien, entwickelte sie ein Gespür für die SEMT-Apparatur. Oder Scalsi hatte während ihrer ersten Sitzung Messungen vorgenommen, die es ihm erlaubt hatten, das Gerät besser auf sie einzustellen.
Es dauerte nur einen Moment, bevor Sichu sich durch die wirbelnden Gedankenfragmente von Tassos komatösem Geist gearbeitet und die Stelle wiedergefunden hatte, an der sich seine Erinnerungen an die Zerstörung der HILDEGARD VON BINGEN befanden. Sie drang weiter vor, tauchte ganz in sein Bewusstsein, wurde zu ihm ...
*
... und auf einmal fand er sich in der Hölle wieder. Es musste die Hölle sein. Sie war schwarz und eiskalt, erstreckte sich endlos in alle Richtungen. Und so weit sein panikerfülltes Auge blicken konnte, schwebten Trümmerstücke zerschmetterter Raumschiffe in der Leere.
Tasso sah gewölbte Hüllenfragmente, aufgerissene Maschinenteile, Hawk-III-Konverter, Sublichtaggregate und Reaktorgehäuse. Wolken aus kleineren Trümmerteilen und gefrorenen Flüssigkeiten drifteten dazwischen.
Immer wieder Sekundärexplosionen.
Tod und Vernichtung.
In seinem direkten Umfeld hingen zerfetzte Modul-Boxen im All. Trägerbalken aus Terkonit ragten abgeknickt wie Strohhalme aus ihnen hervor, und die scharf gezackten Risskanten erinnerten an eine Blechdose, in der jemand einen Würfel Dynanol gezündet hatte. Die Explosion, die das Lazarettschiff getroffen hatte, musste mörderisch gewesen sein. Sosehr Tasso auch den Hals verrenkte, er konnte kein einziges intaktes Modul der HILDEGARD VON BINGEN finden.
Einige der Boxen erzitterten, als etwas in ihnen explodierte, aus anderen leckten meterlange, im Vakuum wie flüssig aussehende Flammenzungen, während der Rest von Atmosphäre, der in ihnen noch herrschen mochte, verzehrt wurde. Das konnte niemand an Bord überlebt haben.
Allmächtiger Gott im Himmel ... Tasso war kein sonderlich religiöser Mensch, aber in diesem Moment brauchte er jemanden, der ihm Halt gab. Zitternd schlang er die Arme um den eigenen Körper, während seine Augen von links nach rechts zuckten – und überall bloß eisigen Tod und glühende Vernichtung wahrnahmen.
Schockzustand!, erkannte er.
Im nächsten Moment hatte auch die Überwachungssensorik des Anzugs diesen Umstand erkannt. Mit sanftem Druck wurden Medikamente in seinen Kreislauf eingeleitet, außerdem erwärmte sich der Anzug geringfügig, um ein Klima des Wohlbefindens zu erzeugen.
Eine Minute später spürte Tasso, wie sich seine Muskeln entspannten, die Angst wich und sein Kopf zugleich klarer wurde.
Also schön, dachte er. Ganz ruhig. Ich lebe noch. Das ist ein Anfang.
Er prüfte seine Anzugsysteme. Der Hyperfunk war unbrauchbar, was daran lag, dass die Antennen auf seinem Rückentornister abgerissen worden waren. Ansonsten schien sein SERUN keinen Schaden genommen zu haben. Angesichts der Kräfte, die die HILDEGARD VON BINGEN aus dem Linearraum und ihn aus dem Schiff gerissen hatten, grenzte das an ein Wunder.
Zum Teil war es natürlich auch der überlegenen Technik des Schutzanzugs geschuldet. Die Mikropositronik hatte automatisch die IV-Standardprojektoren und den zuschaltbaren HÜ-Schirm auf maximale Leistung gestellt. Außerdem hatten sich die eingewebten Polymergel-Spiralfasern der Anzugunterschichten reflexartig zu panzergleicher Festigkeit verhärtet.
»Wenn ich hier lebend rauskomme, geht mein nächstes Monatsgehalt in die Kaffeekasse der Entwicklungsabteilung von Lund & Madison«, murmelte Tasso.
So, wie es aussah, stand es gegenwärtig gar nicht so schlecht um ihn. Er konnte zwar nicht um Hilfe rufen. Aber ihm blieben etwa zehn Tage, bevor ihm Energie, Atemluft und Notrationen ausgingen. Er hoffte mit einiger Gewissheit, dass vorher Rettungskräfte von Terra eintreffen würden.
Was
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