PR 2704 – Die Rückkehr der JULES VERNE
Er behielt Oberst Roskal Zawatt im Auge, den Emotionauten, der sich ruhig und gelassen gab. Doch in seiner Freizeit war der Terraner noch immer derselbe Heißsporn wie zu Beginn seiner Karriere. Seit jeher hatte Bull Befürchtungen, dass das feurige Temperament Zawatts irgendwann einmal auf die Arbeit durchschlagen würde.
Hoffentlich nicht hier, hoffentlich nicht heute ...
Ishart Mamnah, der Zweite Kommandant, Jawna Togoya sowie der oxtornische Chef der Kreuzerflottille, Juwal Mowak, bildeten gemeinsam mit Zawatt das kleine Grüppchen jener Veteranen, die seit fünfzig oder mehr Jahren Dienst auf der JULES VERNE taten. Die meisten anderen Mitglieder der Zentralebesatzung waren im Laufe des letzten Jahrzehnts an Bord gekommen. Allesamt waren kompetent und hatten ihre Erfahrungen auf anderen Schiffen der LFT-Flotte gesammelt. Doch würde das reichen, um einem weitgehend unbekannten Gegner mit der notwendigen Mischung aus Courage und Kalkül entgegenzutreten?
Die Stunde verging rasch. Auf Kharag-Stahlwelt wusste man nicht allzu viel über die Geschehnisse im Solsystem. Terra war 17.000 Lichtjahre entfernt – doch es hätten genauso gut zwei Millionen sein können. Das Sonnendodekaeder wurde meist von spärlich bemannten Schiffen angesteuert, die den Sprung nach Andromeda wagten. Das Polyport-Netz bot weitaus mehr Annehmlichkeiten im Transportwesen.
Bisher zumindest ...
Bull gab die Zustimmung zum Aufbruch. Die Distanz zum Solsystem würde mithilfe des Trafitron-Antriebs in etwas mehr als zwanzig Minuten überwunden sein. Letzte, hektische Vorbesprechungen fanden statt: Ein Offizier der Abteilung Triebwerke und Bordmaschinen wurde freigestellt und durch eine Frau der zweiten Schicht ersetzt. Das Mitglied der Zentralebesatzung hatte über stetig zunehmende Kopfschmerzen geklagt, offenbar eine Spätfolge der Reise via Sonnentransmitter. Bull konnte niemanden gebrauchen, der nur bedingt einsatzbereit war.
Die Minuten vergingen rasend schnell. Jemand murmelte ein Gebet, die Gespräche wurden allmählich weniger. Ghiyas Khosrau nahm unweit von Bull Platz, nachdem er sich ein letztes Mal mit Emerson Danzao abgesprochen hatte. Jawna Togoya gab ruhig ihre Kommandos. Überall flammten grüne Lichter auf. Offensiv- und Defensivbewaffnung waren aktiviert, die einzelnen Abteilungen meldeten Einsatzbereitschaft.
Schweigen.
Bull kaute an seinen Fingernägeln, und als Togoya ihn dabei mit Blicken ertappte, lächelte er wie ein kleines Kind, das beim Kirschenstehlen erwischt worden war.
Rückkehr in den Normalraum in drei, zwei, einer Sekunde. Kommandos wurden gegeben, Messungen vorgenommen. NEMO lieferte in rasender Schnelle seine Informationen.
Sie befanden sich in der inneren Oort'schen Wolke, auf Höhe der Ekliptik. Der Zwergplanet Makemake galt als ihr Leitpunkt beim Einflug ins Sonnensystem. Ihn würden sie in einer Entfernung von nur einigen Tausend Kilometern passieren.
»Punktlandung«, sagte Cenda, der marsianische Pilot, um gleich darauf wieder in konzentriertem Schweigen zu versinken. Zahlenbilder umgaben ihn in einer Holowolke. Er verschob und drehte sie, verschaffte sich einen besseren Blickwinkel.
NEMO füllte den Hologlobus rasend schnell mit weiteren Objekten. Bald waren es mehrere Tausend. Körper der Oort'schen Wolke und des Kuiper-Gürtels, auf deren Flugbahnen sie Rücksicht nehmen mussten.
Zwanzig Sekunden waren seit dem Eintritt in den Normalraum vergangen. Nichts geschah. Es war auch nicht zu erwarten gewesen. In einem Abstand von fast hundert astronomischen Einheiten zu Terra erschien es wenig sinnvoll, ins Sonnensystem vordringende Schiffe kontrollieren zu wollen. Die Onryonen würden ihre Kräfte voraussichtlich nahe der Erde zusammengezogen haben.
»Weiterflug!«, ordnete Bull an.
Togoya gab das Zeichen, Pilot und Emotionaut machten sich an die Arbeit. Die JULES VERNE ging in den Linearflug über – und brach damit das Verbot der Onryonen.
Die Laurin-Antiortung stand. Leistungsstarke Eigenemissions-Absorber sowie Hypertaster-Deflektoren kamen seit Minuten zum Einsatz. Die JULES VERNE war nach menschlichem Ermessen für feindliche Einheiten weder zu orten noch zu ertasten.
Sekunden vergingen. Sie waren auf Schleichfahrt unterwegs. Bulls Finger schmerzten. Er hatte sie ineinander gekrampft und lockerte sie nun so unauffällig wie möglich.
NEMO belieferte ihn laufend mit Informationen. Viele waren uninteressant. Bull tat sich schwer, das Wesentliche aus dem Daten-Irrsinn auszufiltern, mit
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