PR 2707 – Messingträumer
des 1. Juli meldete sich Beathan. Er lud den Tesqiren ein, mit ihm zu speisen. Dhayqe warf einen Blick auf seine vier Bewacher und schüttelte bedauernd den Kopf.
»Meine Begleiter sind wieder seit vielen Stunden im Einsatz. Sie haben familiäre Verpflichtungen, Menschen, die sie vermissen.« Er zwinkerte dem Sozialartisten zu. »Übrigens will ich nicht anderer Leute Müdigkeit vorschützen. Ich selbst bin müde. Die vielen neuen Eindrücke, die wunderbaren Perspektiven, die mir auch dieser Tag eröffnet hat – ich möchte das in Ruhe verarbeiten. Danke dir dennoch sehr, Forbeis.«
Der Tesqire verneigte sich dezent. Dann wandte er sich den vier Polizisten zu. »Ich bin müde, Gordon.«
»Wir bringen dich zurück in dein Hotel«, bot der Angesprochene an.
Und so geschah es. Das Hotel stand am Ufer des Trivor, ein fünfstöckiges Steinhaus im viktorianischen Stil mit einem waschechten Portier in verspielt prachtvoller Uniform. Ganz kurz befürchtete Zennor, das Sicherheitssystem des Hauses würde ihn an diesem Tag entdecken; aber der Tarnmodus seines Deflektorschirms war als militärisches Gerät um einiges kompetenter als die Überwachungsanlagen des Hauses.
Er kannte das Zimmer Dhayqes. Der Ausblick auf den Trivor und die Brücken, die sich über den Fluss bogen wie Tiere aus Licht, war atemberaubend.
Das Haus verfügte über einen Antigravschacht, aber Dhayqe bat darum, wieder den alten Aufzug benutzen zu dürfen. Als die Kabine hielt und ihre Türen sich öffneten, schlug Dhayqe in kindlicher Begeisterung die Hände zusammen. Aber mit dem Fingerkranz war schlecht klatschen, es ertönte nur ein knöcherner Laut.
Die kleine Gruppe betrat die museale Aufzugkabine, die mit Holz getäfelt und einigen Spiegeln ausgestattet war. Zennor ging das Risiko nicht ein. Sein Deflektorschirm schützte nicht vor Berührung. Er nahm den Antigravschacht.
Wie gehofft war der Schacht schneller als der Lift. Zennor fand das Zimmer, aktivierte gewisse Funktionen seines Multikoms, öffnete die Tür und trat ein. Nachdem die Tür sich geschlossen hatte, löschte er seinen Zutritt aus ihrem Protokoll.
Augenblicke später glitt die Tür erneut auf, diesmal für Dhayqe.
Der Tesqire bot den vier Polizisten an, das Zimmer über Nacht mit ihm zu teilen. Sie lehnten ab, erklärten aber, dass mindestens zwei von ihnen Position auf dem Gang beziehen würden.
Während sich die Tür schloss, salutierte einer von ihnen, nachlässig genug, um es wie einen Witz aussehen zu lassen.
Alle lachten, auch Dhayqe.
*
Dhayqe stand regungslos in der Mitte des Zimmers. Seine menschliche Mimik verblasste. Das Gesicht des Tesqiren wirkte blank.
»Zimmer?«, fragte Dhayqe. »Habe ich Zugriff auf Trivid-Kanäle?«
»Selbstverständlich«, antwortete eine weiblich modulierte Stimme. »Was möchtest du sehen?«
»Keine Vorlieben«, sagte Dhayqe.
Zennor kannte das Ritual bereits. Die Holoprojektoren aktivierten sich. Das Bild zeigte eine leicht hüglige Auenlandschaft, auf der zwei Mannschaften Hooter-Polo spielten. Das Match musste eben begonnen haben; das bläuliche Fell der Hooter glänzte noch nicht von Schweiß.
Dhayqe sah einige Minuten mit unbewegtem Gesicht zu und sagte dann: »Weiter!«
Das Zimmer präsentierte eine Dokumentation über den Kontinent Quatermaina, das große, urtümliche Naturschutzgebiet Rheas. »Weiter«, sagte Dhayqe nach einigen Minuten.
Piest und Chulero erschienen im Holo, zwei Figuren einer populären Comedy- Show, die im Milieu der mobilen Schürfstädte von Egret spielte. Piest und Chulero waren zwei Stinkstiefel, griesgrämig, politisch höchst inkorrekt – sie benutzten ein Urinal, das aussah wie das Gesicht von Administrator Cantanzaro mit weit aufgerissenem Mund –, sie gaben sich frauen- und kinderfeindlich, jedenfalls all dies an der Oberfläche. Natürlich verbargen beide ein goldenes Herz, verbargen es vor allem voreinander, sodass sie zur Tarnung ihrer guten Taten die irrwitzigsten Winkelzüge unternehmen mussten.
Dhayqe sah fast eine Viertelstunde zu, hoch konzentriert und ohne die Miene zu verziehen, dann sagte er: »Weiter.«
Zennor musste ein Lachen unterdrücken, als ihm das Bizarre der Situation zum Bewusstsein kam: Er, ein Agent der rheanischen Regierung, saß gemeinsam mit dem Propagandisten einer feindlichen Macht in einem Hotelzimmer, um fernzusehen:
Ein Konzert der Gruppe Drunken Fishes' Ressurrection Choir; eine Bon-Meditationssendung; eine Übertragung aus dem Rechtsausschuss des
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