PR Andromeda 04 - Die Sternenhorcher
und ein lebensstrotzender Komposthaufen. Die Leute hier schienen schwer darauf aus, mit so vielen Traditionen zu brechen, wie nur möglich war.
Als Martan wieder bei Shevek ankam, war der gerade dabei, aus einer kleinen Platte ein paar Solarzellen zu sägen.
Martan drehte eine zweite Runde, immer am Graben entlang.
Was für ein unfreundlicher Ort , dachte er. Erstaunlich war immerhin, dass Shevek sein Leben auf einmal mit so vielen Leuten teilte.
Martan sah sich um. Es waren allerdings größtenteils Kinder; Jungen, um genau zu sein. Hier waren nirgendwo Mädchen zu sehen. Dann entdeckte er doch eines. Es arbeitete am Graben mit. Es zog einen an einer Schnur befestigten Eimer voll Erde nach oben, leerte ihn aus, ließ ihn wieder hinunter. Der Eimer wurden unten im Graben von einem kahl geschorenen, dürren Jungen in einem schmutzigen weißen Rock voll geschaufelt. Er kam Martan vage bekannt vor. »He!«, sagte der Junge, als er Martan erblickte. »He«, sagte Martan und lächelte. »Kennen wir uns?«
»Neulich auf dem Hohlweg.« Der Junge grinste zu ihm nach oben und hielt eine Hand knapp über den Rock. »Da hatte ich noch so lange Haare.«
»Ach ja! Der tapfere Bursche, der nicht beim Totmachen mitspielen wollte!« Martan ging in die Hocke, stützte die Ellbogen auf die Schenkel. »Und? Wie geht's dir hier?«
»Gut!«, sagte der Junge strahlend. »Ist gut was los hier. Bleibst du auch?«
Martan schüttelte den Kopf. »Ich besuche nur Shevek.« Auf einmal sah der Junge ganz ernst aus. »Dann gehst du wieder nach Third zurück?«
»Ja. Ich warte nur, bis Shevek mir was repariert hat.« Der Junge nickte. Er schien zu überlegen. »Ist das was Großes?«, fragte er dann. »Was Schweres?«
»Passt in die Trommel hier. Was ist denn los?«
»Kannst du ... kannst du gut was schleppen?« Martan musste lachen. »Ja, schon. Warum?« Der Junge trat den Spaten entschlossen in die gelockerte Erde. »Kannst mich ablösen«, sagte er zu dem Mädchen oben, lief zur nächsten Leiter und kletterte sie hinauf. »Komm mit!«, rief er Martan zu.
Martan folgte ihm. Der Junge hielt auf den Riesenhaufen Feuerholz zu. Er hatte es eilig. Er ging sehr staksig auf seinen dürren Beinen. Angespannt.
Aus den Augenwinkeln sah Martan, dass sich bei dem Gemeinschafts-Unterstand die beiden Halbwüchsigen in Bewegung setzten.
Martan machte ein paar Sätze und holte den Jungen ein.
»Was ist los?«, fragte er.
»Hilf mir«, sagte der Junge und zerrte an der Plane, die mit ein paar Holzscheiten gegen Windstöße gesichert war. Martan wollte mit anfassen, als er am Arm zurückgerissen wurde.
»Holla«, sagte er und hebelte sich frei. »Fass mich nicht an.«
»Du hast hier nichts zu suchen«, sagte der eine Halbwüchsige. Aber er griff nicht noch einmal nach Martans Arm.
»Ach ja?«, sagte Martan und kehrte ihnen den Rücken zu, fegte ein paar Scheite von der Plane und schlug sie zurück. Käfer krabbelten in alle Richtungen.
»Ty Mo«, sagte der andere Halbwüchsige zu dem Jungen. »Hör auf damit.«
»Ich will aber«, sagte Ty Mo verzweifelt und zerrte an der Plane. Holzscheite rutschten nach, Äste, Wurzelstubben. Er warf das Holz nach hinten. »Ich räum das alles wieder auf. Aber er geht in die Stadt zurück. Er kann sie doch mitnehmen. Bitte!«
»Was denn mitnehmen?«, fragte Martan. Er spürte ein Prickeln in den Schulterblättern, den Kniekehlen.
»Sie«, sagte Ty Mo und zeigte in den Holzhaufen.
Und dann sah Martan etwas, das dort unmöglich liegen konnte. Doch nicht im Feuerholz!
Ihm wurde übel.
Er schaufelte die kurz gesägten Äste nach hinten weg, die Stücke junger Baumstämme. Ein Stamm polterte hinunter und schlug ihm schwer auf den Rist, aber Martan merkte es kaum.
»Oh, nein«, sagte er. »Nein, nein, nein.«
Sie hatten ihr die Wurzeln weggesägt, keine Unterarmlänge vom Stamm entfernt. Sie hatten ihr die Äste weggesägt. Da waren nur noch Stummel, wo sich einst ihre Arme, ihre Beine, ihre Brüste verzweigt hatten. Die Kopfruten waren zerknickt, zerfleddert, abgebrochen, die wenigen verbliebenen Blätter eingedreht, vertrocknet. Die Alte dort zwischen dem Feuerholz, sie war nur noch ein Stumpf.
»Er geht in die Stadt«, hörte er Ty Mo neben sich sagen. Dem Jungen zitterte die Stimme. »Er kann sie doch mitnehmen, Shevek. Er kann sie doch mitnehmen.«
»Das ist gar keine dumme Idee, Ti Mo«, sagte Shevek hinter ihm. »Wirklich. Gar keine dumme Idee.«
Martan richtete sich auf. Er drehte sich um. Die
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