PR Ara-Toxin 03 - Nekrogenesis
alle Sinne beieinander hätte. Aber er war berauscht. Er riss sich zwei Haare aus und gab sie ihr.
Sie nahm sie mit einem triumphierenden Lächeln entgegen. »Danke.«
Der Priester kehrte mit einem etwa 60 Zentimeter durchmessenden dickbauchigen Topf zurück, in dem träge eine dunkelfarbige Flüssigkeit schwappte. Er sah mit seinen überdimensionalen Henkeln rustikal und uralt aus, aber Marco war noch nicht betrunken genug, um nicht zu erkennen, dass es sich um ein künstlich gealtertes Gefäß aus Terkonitstahl mit einem Energiekontakt am Boden handelte. Es störte ihn aber nicht besonders. Was die Mischung aus Tradition, Religion und moderner Technik betraf, war Remion ein Planet der Widersprüche. Warum nicht auch Voodoo mit Terkonitstahl und externer Energiezufuhr? Er hatte kein Problem damit. Wichtig war allein, dass etwas dabei herauskam.
Vorsichtig stellte der Hungan den Topf auf dem Altar ab, bewegte ihn hin und her, wahrscheinlich, um den Kontakt mit der zweifellos dort installierten Stromschiene herzustellen. Er nahm einen großen Holzlöffel aus dem Schrein, rührte die Flüssigkeit im Topf um und fiel dabei in einen dumpfen, gutturalen Singsang ohne klar erkennbare Worte.
Was mache ich hier eigentlich?, fragte sich Marco, dem das alles plötzlich höchst lächerlich vorkam.
Die Flüssigkeit begann zu dampfen, und ihr Duft vermengte sich mit dem Weihrauch der Räucherkerzen. Sie rochen merkwürdig, aber nicht unangenehm. Etwas daran kam Marco seltsam vertraut vor. Er konnte nicht genau definieren, was es war, vermutete aber, dass sich auch Colocadosöl in dem Kessel befand, vielleicht sogar eins von der besten Schicht.
Oder fermentiertes Kraut.
Der Priester legte den Holzlöffel weg, trat ein paar Schritte vom Altar zurück, schloss die Augen und schien zu meditieren.
Aus dem Kessel drang ein gespenstisches Leuchten, giftgrün wie die Malereien auf dem Gewand des Hungan. Allerlei Geräusche waren zu hören, die ebenfalls im Kessel ihren Ursprung hatten: infernalisches Trommeln der Adjunto, der Haupttrommel des Voodooritus, und der heiligen Assoto, das Klappern von Kastagnetten. Winzige menschliche Gestalten mit Tiermasken kletterten von innen über den Rand des Kessels und turnten darauf herum.
Sonderlich beeindruckt war Marco nicht. Wenn das die vom Hungan erwähnten Rada- oder Petro-Loas sein sollten, hatten sie verdammte Ähnlichkeit mit Hologrammen. Aber er musste zugeben, dass sie, rein technisch gesehen, von guter Qualität waren.
Der Voodoopriester streckte die Hände nach vorn. Wahrscheinlich aktivierte er dabei einen Sensor. Die Winzlinge erstarrten und kletterten dann behände in den Kessel zurück. Das giftgrüne Leuchten wurde schwächer und erlosch schließlich ganz, die aus dem Kessel dringenden Geräusche verstummten.
Ende der Vorstellung, dachte Marco.
Der Priester senkte die ausgestreckten Hände, trat an den Kessel heran, schöpfte mit einer Kelle etwas von der Flüssigkeit heraus und goss sie vorsichtig in einen Holzbecher, den er aus dem Schrein genommen hatte. Dann murmelte er einige lange Zaubersprüche in einer unbekannten Sprache. »Die Loas sind bereit, euch zu helfen«, verkündete er nach einer Weile. »Tretet heran.«
Rumela packte Marcos Rechte und zog ihn mit sich.
»Gib jetzt die ingredientes hinein, Schwester«, forderte der Hungan Rumela auf.
Sie trat zu ihm an den Altar, öffnete die immer noch zur Faust geballte Rechte und half mit dem linken Zeigefinger nach, bis auch wirklich alle Härchen in der Flüssigkeit gelandet waren.
»Du musst es mit dem Daumen umrühren, Schwester«, forderte der Hungan. »Und anschließend den Daumen ablecken.« Er wandte sich erstmals direkt an Marco. »Du auch, Bruder.«
Rumela kam der Aufforderung sofort nach, und die Art und Weise, wie sie den Daumen mit den Lippen umschloss, war ziemlich eindeutig.
»Mach schon, Marco«, forderte sie ihn ungeduldig auf, als er zögerte.
»Die Flüssigkeit.«, begann Marco.
»Es ist nichts Ekliges darin«, versicherte Rumela.
Davon war Marco keineswegs überzeugt. Die Zentralkirche hatte die Blutrituale abgeschafft, aber galt das auch für die »Einzig Wahre Voodookirche«? Er wusste immerhin, dass manche der ganz alten Zaubermittel des terranischen Voodoo aus Schießpulver, der Gallenflüssigkeit verschiedener Tiere, Rattenblut, Alligatorfleisch, Jungfrauenblut und anderen unerfreulichen Substanzen zusammengerührt worden waren. Aber er überwand sich, steckte den Daumen in die
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