PR Ara-Toxin 03 - Nekrogenesis
angemessen gewesen wäre, sondern in einem modernen Einkaufszentrum.
DIE EINZIG WAHRE VOODOOKIRCHE versprachen dunkelrot und violett glosende Holo-Leuchtbuchstaben über dem Eingang. Marco war eher skeptisch, als er mit Rumela den von gruseligen Holos - mal bleichwangig und lethargisch, mal aggressiv bemalt und giftig, aber immer jenseits allen Lebendigens - flankierten Korridor passierte. Das sah eher nach einer Jahrmarktattraktion aus.
Der Altarraum, in den sie nun traten, wirkte jedoch nüchterner. Ungeachtet des Trubels rundum war es hier still. Der Altar bestand aus einem kleinen, kahlen Podium, das von Totenmasken aus Holz, Ton, aber auch aus Silber und Gusseisen flankiert wurde. Die Masken strahlten gerade in ihrer Schlichtheit eine gewisse Würde aus und wirkten in ihrer Grimmigkeit und Grausamkeit viel unheimlicher als der aufdringlich flackernde Klimbim auf dem Korridor. Hinter ihm befanden sich Dutzende von Näpfchen mit Räucherkerzen, die einen schweren Duft von Weihrauch ausströmten. Irgendwo unter dem Altar und seitlich davon schimmerten dunkelrote Lichter, deren Quelle nicht genau auszumachen war. Neben dem Altar befand sich ein offener Holzschrein, in dem allerlei Holzlöffel, Metallkellen, Tiegel und Holzbecher zu sehen waren.
Rumela und Marco waren die einzigen Menschen, die sich hierher verirrt hatten. Es war der erste Tag der puentes und dazu spät am Abend. Auch in den Städten hielt man sich strikt an die Zehntagewoche, die aus sieben Tage Arbeit und drei Tagen turbulent ausgenutzter Freizeit bestand. Wie es schien, hatten die Anhänger der »Einzig Wahren Voodookirche« am Ende eines solchen Tages anderes zu tun, als sich von ihren Göttern und Geistern reiten zu lassen. Die meisten Remiona waren, bei allem Glauben und Aberglauben, zugleich lebensfrohe Pragmatiker. Sollten sich die Geister und Götter an einem solchen fröhlichen Tag doch andere Pferde suchen. Dass sie geeignete Gäule finden würden, stand für sie außer Zweifel. Aber sie selbst wollten es nicht sein. Nicht hier und jetzt.
Rumela kannte sich aus und läutete ein Silberglöckchen, das neben dem Altar angebracht war. Marco hatte es in dem düsterroten Licht gar nicht wahrgenommen.
Wenig später schlurfte ein verhutzelter kleiner Mann in einem abgetragenen Jogginganzug heran, rülpste ungeniert und wischte sich mit einer Serviette Essensreste aus dem grauen Krausbart, feuerte die Serviette irgendwohin, griff in ein Ablagefach und stülpte sich ein schwarzes Gewand über, auf dessen Vorder- und Rückseite mit giftgrüner Leuchtfarbe Totenschädel, verzerrt grinsende Gesichter und gehörnte Gestalten aufgemalt waren. Jetzt sah er schon eher wie ein Voodoopriester aus. Aber richtig überzeugend wirkte er nicht. Die Augen flackerten so unstet wie das Licht hinter dem Altar und waren blutunterlaufen, und wenn Marco nicht selbst schon gehörig aufgetankt hätte, wäre der alkoholgeschwängerte Atem des Hungan durchaus geeignet gewesen, ihn betrunken zu machen. Hätte der Mann einen osobajos angehaucht, wäre der wohl tot umgefallen.
»Was kann ich für dich tun, Schwester?«
»Verehrter Hungan, ich habe eine besondere Bitte. Die gleiche wie schon einmal, wenn du dich erinnerst.« Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr und steckte ihm verstohlen einen Credchip zu.
Der Priester machte daraus eine öffentliche Angelegenheit, indem er den Chip in ein am Altar angebrachtes Lesegerät schob, die zur Verfügung stehende Summe betrachtete, die Legitimation prüfte und die Summe abbuchte. Er reichte ihr den abgewerteten Chip zurück und nickte. »Du hast Glück, Schwester. Zufälligerweise habe ich vor zehn Tagen einen Sud für solche Fälle angerührt. Er ist inzwischen gereift und sehr gut. besser als alles, was mir bisher gelungen ist. Es handelt sich um jenes besondere Elixier der Göttin Ezilie. Von ihr, für sie bestimmt, von ihr zelebriert und gesegnet. Du verstehst schon, nicht wahr? Er hat den Segen aller Rada-Loas und aller Petro-Geister. Aber ich benötige dafür noch die ingredientes von euch beiden. Die bestimmten. Du weißt schon, Schwester. Ihr habt ein paar Minuten Zeit dafür, während ich den Topf hole.«
Der Hungan schlurfte davon.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Marco.
Rumela lächelte. »Der Zauber funktioniert nur, wenn wir etwas von uns hinzugeben. Haare vielleicht. Bitte, Marco«, beschwor sie ihn. »Es muss sein!«
Unter normalen Umständen hätte Marco wahrscheinlich gelacht und sie gefragt, ob sie noch
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