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PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull

PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull

Titel: PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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selbst erschrak Auge um Auge, Zahn um Zahn — ich war nie blutgierig gewesen, eher ein Mann von Kompromissen, der unter noch so widrigen Umständen Zugeständnisse herbeizuführen versuchte, aber diesmal wußte ich nicht, ob ich losbrüllen oder wild um mich schlagen sollte.
    Du kannst gar nicht wissen, ob sie tot sind, mahnte eine innere Stimme. Ich ignorierte sie, weil ich spürte, daß ich zu spät gekommen war. Um lächerliche Sekunden. Was bedeuteten sie für einen Unsterblichen?
    Was bedeutete Verwandtschaft? Ich hatte vieles falsch gemacht, hatte Blutsbande ignoriert, weil ich mir einredete, daß Generationen zwischen mir und den Nachfahren meiner Schwester oder den anderen Bull-Familienlinien lagen. Dabei hatte ich nie herauszufinden versucht, ob dem wirklich so war.
    Alibi-Überlegungen waren das, der Versuch, mein Gewissen zu beruhigen. Ich wußte von vornherein, daß es nie anders werden konnte. Das war wie mit den Vorsätzen, die Menschen zu Silvester faßten und die spätestens am 2. Januar der Vergangenheit angehörten. Kaum jemand schaffte es auf Dauer, den inneren Schweinehund zu überwinden, und falls doch, forderten über kurz oder lang die täglichen Pflichten ihr Recht ein. Aus diesem Kreislauf gab es kein Entrinnen.
    Jenseits des schmalen Felseinschnitts gewahrte ich eine Antigravplattform. Schwere Desintegratoren stoppten den Vormarsch der Tiere. Die materiezersetzende Wirkung fraß tiefe Höhlungen in den Fels, versetzte die Vierbeiner aber nur in eine vorübergehende Starre. Mit Energiefeldprojektoren sicherten die Landungstruppen die Felsnadel ab.
    Ich kniete neben Michael Slovan nieder. Er lebte noch. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, der Oberkörper großflächig verbrannt, und die Augen starrten scheinbar ins Leere. Mit ihren Rüsseln saugten die Tiere nicht nur die chemische Pflanzenenergie auf, sie gaben sie in heftigen Entladungen auch wieder ab. Zudem hatte ein langsam verhärtendes Sekret nicht nur die Kleidung, sondern auch Haut und Muskelgewebe angegriffen.
    »Wo bleibt der Arzt?«, keuchte ich. »Beeilt euch, verflucht. Der Junge stirbt mir noch unter den Händen.«
    Michaels Blick fraß sich an mir fest. Ich hatte den Eindruck, daß er mich trotzdem nicht erkannte. Erst als ich den Helm zurückklappte, erschien ein Aufleuchten in seinen Augen. Mit bebenden Lippen versuchte er Worte zu formen, doch wurde nur ein lautloses Stöhnen daraus.
    »Nicht anstrengen, Michael«, sagte ich leise. »Schone deine Kräfte! Später haben wir genügend Zeit, miteinander zu reden.«
    Der Hauch eines Lächelns umfloß seine Mundwinkel. Aber das war oberflächlich. Unter diesem Lächeln zeichnete sich Verzweiflung ab. Ebenso die Furcht vor dem Tod. Langsam hob Michael den rechten Arm. Ich griff nach seiner Hand, die sich zitternd und schwach um meine Finger schloß.
    »Du schaffst es, Junge — du bist stark genug!« Ich bis die Zähne zusammen, denn ein Beben durchlief den ausgemergelten Körper. Langsam, wie unter dem Einfluß unerträglicher Müdigkeit, fielen Michaels Lider zu. Sein Atmen war kaum noch wahrzunehmen. »Reiß dich zusammen!« Mit der flachen Hand schlug ich ihn ins Gesicht. Er durfte nicht einschlafen, nicht jetzt. »Kein Bull läßt sich so schnell unterkriegen! — Komm schon, Junge, bleib hier! Bleib!«
    Nochmals schlug ich zu, fester als zuvor. Vergeblich. Michaels Rechte erschlaffte in meiner Hand. Er atmete nicht mehr. Auch der Medorobot, der Augenblicke später kam, konnte dem jungen Leutnant nicht mehr helfen.
    Ich verfluchte diese Welt. Ich stand am Rand des Felsabbruchs und starrte hinaus auf das blaue Leuchten, über dem Space-Jets und Kaulquappen schwebten. Von meinem 60-Meter-Beiboot war gerade noch die obere Polkuppel zu sehen. Die letzten Besatzungsmitglieder verließen das versinkende Schiff — zumindest hoffte ich, daß alle anderen schon in Sicherheit waren.
    Sekunden später schwappte das blaue Leuchten über dem Schiff zusammen. »Wasserläufer« huschten umher. Ein trügerisches Bild des Friedens. Ich würde nicht versuchen, die Kaulquappe zu bergen, ich wollte nur noch weg von dieser Welt.
     
     
    Stumm starrte ich auf das rot-weiß gestreifte Banner mit dem Sternensymbol und dem Emblem der Explorerflotte. Ein bunt bedruckter Fetzen Stoff als letzter Gruß war alles, was von einem jungen Leben blieb. Dazu zwei Holographien und die Erinnerung. Denkbar wenig. Doch das war nie anders gewesen. Vermutlich machte ich mir diesmal mehr Gedanken darüber, weil ich

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