PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull
den Fingern, die eine oder andere Verkleidung abzulösen und nachzuschauen, was dahinter verborgen lag. Ein Gewirr von Kabeln, Leitungen, Rohren oder nur elektronische Schaltkreise, Computerchips, die leicht zugänglich und austauschbar waren?
Mehr als vier Personen hatten wir noch nicht zu Gesicht bekommen. Zwei Männer dösten in ihren zu Liegen umfunktionierten Sesseln, ohne Perry und mich überhaupt zu registrieren. Verklärt beobachteten sie schnell wechselnde geometrische Figuren auf einer Reihe von Bildschirmen. Auf mich wirkte der Vorgang wie eine psychedelische Gehirnwäsche, aber die Arkoniden gingen darin auf wie New Yorker Kids vor dem Flipper.
»Ein Großteil der Bevölkerung unserer Welten liegt täglich vor den Schirmen und genießt die fiktiven Simulator-Spiele.« Crest sagte es mit bebender Stimme. Seine Bewegungen wirkten hilflos und schwach; er war krank.
Crest — die Arkoniden kannten anscheinend keine Unterscheidung von Vor- und Familiennamen — war sehr hager und überragte Perry um Kopfeslänge. Unter seiner hochgewölbten Stirn lagen zwei Augen von großer Ausdruckskraft, ihre albinotische Rotfärbung strahlte etwas Fremdes und Unwirkliches aus. Dementsprechend war sein Haar fast weiß, wenngleich die samtene Hautfarbe eher an einen Südseeinsulaner erinnerte.
Auf der Erde, in einer x-beliebigen Großstadt und unter schrägen Typen, wäre Crest niemandem aufgefallen. Unbewusst hatte ich es beim Anblick des Raumschiffes zwar gehofft, es aber dennoch für wenig wahrscheinlich gehalten, daß die Fremden menschenähnlich sein würden. Was ihr Äußeres anbetraf, gab es kaum nennenswerte Unterschiede zu uns. Nur die drückende Schwüle und das bläulich schimmernde Licht waren Indizien dafür, daß ihre Welt anders als die Erde sein mußte. Vermutlich kreiste der Planet um einen sehr hellen, heißen und blau strahlenden Stern. Warum auch nicht? Ich empfand das bereits als selbstverständlich und vergaß schier, daß wir bis vor wenigen Stunden keine Ahnung von der Existenz außerirdischer Intelligenzen gehabt hatten.
Das ist falsch, berichtigte ich mich. Wir haben sie bewusst ignoriert, weil wir vor einer solchen Begegnung immer zurückschreckten. Gleichzeitig fühlte ich mich wie Alice im Wunderland. Wenigstens ein klein wenig.
Das 500-Meter-Schiff hieß AETRON. Crest bezeichnete es als Forschungskreuzer, der mit fünfzigköpfiger Besatzung aufgebrochen war, um den legendären Planeten des ewigen Lebens zu finden. Nach dem Ausfall des Überlichttriebwerkes hatten sie auf dem Mond notlanden müssen. Das war vor ungefähr vier Monaten gewesen.
» ... wie lange gedenken Sie zu bleiben?«, platzte ich heraus.
Crest hustete gequält. Sein Lächeln wirkte wie eine Maske, die seinen wirklichen Gemütszustand verbarg.
»Bilden Sie sich tatsächlich ein, es würde leicht fallen, in der Nähe primitiver Kreaturen der Entwicklungsstufe C zu verweilen?« stieß Thora eisig hervor. Sie war die Kommandantin des Schiffes, hochmütig, eingebildet, arrogant — mir gingen die Adjektive aus, aber ich war überzeugt davon, daß man sie zur Zeit der Inquisition auf dem Scheiterhaufen verbrannt hätte. Andererseits war sie schön, hochgewachsen, schlank, mit langem weißblondem Haar und goldroten Augen, die leider zuviel Gift verspritzten.
»Wenn Sie uns für derart primitiv halten, warum haben Sie uns dann in Ihr Schiff geholt?«, fragte Perry.
»Das hat Sie nicht zu interessieren.«
Ich ertappte mich dabei, daß ich Miriam mit Thora verglich. Miriam war nicht so aufregend exotisch, aber beileibe nicht so unterkühlt. Ich wusste schon gar nicht mehr, wie es war, sie im Arm zu halten. Bis auf einige wenige Telefonate in den vergangenen Wochen hatten wir uns auseinandergelebt.
»Es geschah auf meine Veranlassung«, erklärte Crest. »Meine Erkrankung erlaubt mir, das Gesetz zu umgehen. Wir dürfen mit unterentwickelten Geschöpfen Kontakt aufnehmen, sobald unsere Existenz ... «
»Ich verstehe«, unterbrach ihn Perry. »Sie benötigen Hilfe. Haben Sie keine Ärzte an Bord, Sir?«
»Es gibt kein Mittel gegen seine Krankheit«, sagte Thora schroff. Das klang endgültig. »Gehen Sie nun! Crest hat Sie gesehen, und damit ist mein Wohlwollen erschöpft.«
In diesen Minuten schrieben wir an Bord des riesigen Kugelraumschiffs Geschichte. Falls man die Schmierenkomödie so nennen konnte. Die Lethargie der Besatzung entpuppte sich als Dekadenz; Crest selbst, wissenschaftlicher Kommandant der AETRON, bestand
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