PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull
nicht täuschte, überflogen wir soeben die nordsibirische Taimyr-Halbinsel.
»Weißt du, was die aus uns machen werden?«, schimpfte ich los. »Kleinholz machen die. Dort unten heulen längst die Alarmsirenen, und sobald die Abfangjäger aufsteigen, gute Nacht. Die STARDUST ist das gefundene Fressen für die Föderation. Pounder wird sich das nicht gefallen lassen. Willst du einen Weltkrieg anzetteln, Perry?«
Sibirien lag unter uns. Südkurs.
Die STARDUST war in den Gleitflug übergegangen. Der Reibungswiderstand an den Deltatragflächen zehrte die immer noch hohe Geschwindigkeit weiter auf. Wir zogen einen deutlichen Schweif ionisierter Gase hinter uns her.
Nordchina. Die Wüste Gobi.
Einigermaßen sanft landete Perry die STARDUST auf dem steinigen Gelände nahe dem Goshun-See inmitten der wilden Zentral-Gobi, unweit der mongolischen Grenze. Unsere Position betrug etwa 42 Grad nördlicher Breite und 102 Grad Östlicher Lange. Dies war eindeutig Hoheitsgebiet der Asiatischen Föderation.
»Verräter!«, brüllte Captain Flipper und wollte sich auf den Kommandanten stürzen; er erstarrte, als er unvermittelt in Rhodans Waffenmündung blickte. Ich wäre der einzige gewesen, der Perry noch hätte in den Arm fallen können — aber ich tat es nicht. Vielleicht weil ich spürte, daß endlich Bewegung in die Weltgeschichte kam.
»Wir sind zu Hause«, seufzte der Major. »Warum willst du jetzt noch dein Leben riskieren, Flipp?«
»Zu Hause? Hast du wirklich zu Hause gesagt?«, Nur die auf ihn gerichtete Waffe hielt Flipper zurück. »Du schmutziger Verräter hast das Schiff in Asien gelandet. Wie lange war das schon geplant? Du willst die STARDUST den Chinesen ausliefern, beste Technik der U. S. Space Force. Und wie viel bekommt der Starpilot für die Drecksarbeit? Sag's mir, danach kannst du mich erschießen. Das würdest du doch ohnehin gern tun. Ein Mitwisser weniger wäre gut für dich, oder?«
»Halt die Luft an!«, stieß Perry ärgerlich hervor. »Wenn du gehen willst, bitte, ich halte dich nicht zurück. Das gilt für jeden von euch.«
»Und warum bist du wirklich hier gelandet?«, Irgendwie mußte ich der Situation die Brisanz nehmen, bevor sie endgültig eskalierte. Ich ahnte vage, was Rhodan beabsichtigte, und mir war klar, daß er niemals Verrat üben würde. Zudem konnte ich mich nicht entsinnen, daß er jemals etwas grundlos getan hatte.
»Die STARDUST ist gänzlich unbedeutend«, behauptete er. »Die maßgeblichen Köpfe in Moskau, Peking und Washington glauben zwar, sie wäre ein Weltwunder, aber wenn sie wüssten, was wir auf dem Mond gesehen haben, würden sie anders denken. Nur Crest zählt. Er ist der Vertreter einer weit überlegenen Wissenschaft, in seinem Gedächtnis sind Wunder verborgen, die unsere Raumfahrt von heute auf morgen mindestens fünf Jahrtausende überspringen lassen. Es wäre der größte Fehler aller Zeiten, ihn einer einzigen Nation auszuliefern.«
»Das mag ja gut gedacht sein ... «, begann Dr. Manoli. Eine harsche Handbewegung Rhodans schnitt ihm das Wort ab.
»Es geht um die Einheit auf unserer Erde. Für mich sind alle Menschen gleich, egal welche Hautfarbe, welchen Glauben und welche Ideologie sie haben. Die ewig in die Irre Geleiteten werden endlich erwachen und diejenigen, die ohnehin gutwillig sind, sich aber nie durchsetzen konnten, werden Grund haben, aufzuatmen. Wären wir in Nevada Fields gelandet, wäre Crest bereits isoliert und ein Gefangener im Hochsicherheitstrakt. Niemand würde sich darum kümmern, ob er krank und hilfsbedürftig ist.
Es ginge nur noch darum, ihm sein Wissen zu entreißen und es gegen die anderen Nationen einzusetzen. Unter dem Deckmantel der Selbstverteidigung natürlich.«
»Edel und gut sei der Mensch«, zitierte ich seufzend. »Dir ist hoffentlich bewusst, daß es auch hier in längstens einer Stunde sehr heiß hergehen wird. Alle werden sich auf uns einschießen.«
»Sollen sie. Genau hier, in der Wüste, wird in der Zukunft eine riesige Metropole stehen. Hier werden eines Tages überlichtschnelle Raumschiffe gebaut und wird der Kern für eine geeinte Menschheit geschaffen werden.« Er schaute mich auffordernd an. »Wie entscheidest du dich, Bully?«
Entweder war er verrückt geworden — oder ein Visionär. Ich lachte gepresst. Die freie Entscheidung hatte er mir doch längst abgenommen. Vielmehr: Ich hatte mich schon entschieden, andernfalls wäre es meine verdammte Pflicht gewesen, ihn von der Landung in Asien abzuhalten
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