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PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull

PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull

Titel: PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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gekämpft hatten.
    »Seit wann hausen Sie hier unten?«, fragte er schon ein wenig versöhnlicher.
    »Fünf Wochen — oder sind es Jahre? Ich weiß nicht. Mein Gedächtnis lässt mich manchmal im Stich.«
    »Wovon leben Sie?«
    »Dies und das.« Rondrogen zuckte mit den Achseln. »Was so abfällt für mich. Es gibt überall etwas, vor allem in den Schiffshangars.« Er kicherte leise und wühlte mit den Händen durch sein verfilztes Haar.
    In Bully wuchs das Verlangen, die Wahrheit aus dem Mann herauszuprügeln. Das Gefühl, beobachtet zu werden, ließ sich nicht mehr leugnen, so intensiv wie im Augenblick hatte er es nie zuvor wahrgenommen. Als greife eine fremde Macht nach seinem Bewusstsein.
    ES! riefen seine Gedanken. Bist du hier, dann zeig dich! Mach der Tragödie endlich ein Ende!
    Unvermittelt trat Rondrogen auf ihn zu und umarmte ihn zitternd. Ein fürchterlicher Gestank hüllte Bully ein, eine Mischung aus Schweiß, Magensäure und Schmierstoffen. Wie lange mochte der ehemalige SolAb-Agent kein Wasser mehr gesehen haben?
    Reginald Bull fühlte sich schrecklich unwohl, als müsse er die eigene Haut abstreifen wie eine Schlange ihr zu klein gewordenes Schuppenkleid. Oder wie ein Schmetterling, der unter Anstrengung die Puppenhülle sprengt, um endlich seine prachtvollen Flügel auszubreiten und in den lauen Sommerhimmel aufzusteigen. Das war wieder der Bully, der das Blut des ausgeschlagenen Backenzahns geschmeckt und sich geschworen hatte, niemals mehr der Unterlegene zu sein. Endlos lange Jahrhunderte lag das alles zurück. Nachts war er schweißgebadet aufgeschreckt, hatte sich mies und elend gefühlt und sich in den Kissen vergraben, aber er hatte an sich gearbeitet. Mit einer unglaublichen Zähigkeit.
    Letztlich hatten ihm nur noch die Tränen seiner Mutter wehgetan. »Versprich mir, daß du nie eine Waffe in die Hand nehmen wirst«, hatte sie von ihm verlangt. »Wer eine Waffe trägt, wird auch durch die Waffe umkommen.« Sie war verbittert gewesen, weil der Krieg ihr viele liebe Menschen genommen hatte.
    Im Keller, hinter einem engen, muffigen Bretterverschlag, hatte er einen alten Kartoffelsack aufgehängt und mit Sand und Splitt gefüllt. An diesem Sack hatte er seinen Frust und seine Verbitterung ausgelassen und sich die Fingerknöchel grün und blau geschlagen. Aber er war stolz auf sich gewesen. Der kleine, fast schon pummelige Bully hatte sich Muskeln antrainiert und Monate später den drei Schlägern auf den Cent alles heimgezahlt. Er hatte sie zu Boden geschickt, ohne selbst eine Schramme davonzutragen, und sich Respekt verschafft.
    Nur für Sekundenbruchteile waren die Erinnerungen aufgeflammt. Sie hinterließen das unangenehme Gefühl, daß es derzeit viel weniger gab, auf das er stolz sein konnte. Er hatte es nicht geschafft, die Lieblosigkeit auf der Erde aufzuhalten, war im Gegenteil selbst der glühendste Verfechter der Aphilie gewesen.
    »Meine Ortungen zeigen eine größere Anzahl von Kampfrobotern«, warnte Breslauer. »Wir sollten … «
    » … schnellstens von hier verschwinden. »Na, dann los!«
    Zehn Minuten später erreichten sie die Peripherie des großen Klärwerks. Auf dem Areal von mindestens vier Quadratkilometern wurden alle Abwässer der Hauptstadt gereinigt, die Feststoffe in Energie umgewandelt und das gewonnene klare Wasser ins Hauptversorgungssystem eingespeist. Mit seinem Handabdruck öffnete Bully einen Reparaturschacht.
    »Ich war da noch nie drin«, murmelte Rondrogen.
    Eher schon in einem der Fäkalienkanäle, schoß es Bull durch den Sinn. Fahrig wischte er sich mit der Hand über die Stirn. Daß er derart gereizt reagierte, war früher nicht der Fall gewesen. Hatte ihn die Aphilie dauerhafter verändert, als er es sich eingestehen wollte.
    »Die Kampfroboter riegeln diesen Sektor hermetisch ab«, meldete Breslauer. »Daß wir noch entkommen können, wird immer unwahrscheinlicher.«
    Reginald Bull griff nach der nächsten Halterung und zog sich in die Wartungsröhre.
    »Vorwärts, Rondrogen! Du auch, Breslauer. Der letzte macht die Tür zu.«
    Nach einem schweißtreibenden Aufstieg endete der Schacht scheinbar im Nichts. Der Widerschein von Breslauers Scheinwerfer zeigte von Moderflecken überzogene Stahlwände. Zahlreiche Röhren führten von hier aus weiter, doch waren alle zu eng, die Flüchtlinge aufzunehmen.
    Bully machte den Roboter auf einen breiteren Stollen aufmerksam.
    »Das ist ein Staugang, Sir«, erklärte Breslauer. »Die Großfilteranlagen pumpen

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