PR Lemuria 01 - Die Sternenarche
Verständigte sie das Netz, würde man die Sternensucher finden. Sie alle würden die Leiter des Lebens hinunterfallen und, wenn sie Glück hatten, sich vielleicht an der untersten Sprosse abfangen können. Vielleicht.
Leben.
Für einen Toten hatte die Leiter des Lebens keine Bedeutung mehr.
An jedem Unterstand gab es ein Terminal, eigentlich nur für Notfälle gedacht, aber zugleich eine vollwertige Verbindung zum Netz.
Denetree fuhr an dem Unterstand vorbei, machte kehrt und hielt an ihm an. Jemand hatte ein Rad gegen einen der Pfosten gelehnt. Denetree sah sich um. Niemand war zu sehen. Der Boden des Unterstands und der kleine Touchscreen des Not-Terminals daneben waren frei gewischt. Wahrscheinlich Kinder, die mit ihm gespielt hatten und von Erwachsenen erwischt worden waren. Sie mussten davongerannt sein, um einer Tracht Prügel zu entgehen. Das Rad hatten sie in ihrer Panik zurückgelassen.
Denetree beugte sich über den Touchscreen.
Leben, dachte sie. Venron muss leben!
Sie berührte das Display, legte sich in Gedanken die Worte zurecht, mit denen sie ihren Bruder als vermisst melden wollte. Stellte sich seinen reglosen, starren Körper, seine gebrochenen Augen vor, damit sie nicht im letzten Augenblick der Mut verließ.
Es tut mir Leid!, entschuldigte sie sich in Gedanken bei den übrigen Sternensuchern. Es tut mir Leid. Aber Venron muss leben.
Das Display leuchtete auf. Aber statt der üblichen Eingabemaske sah ihr Venron entgegen.
»Bruder!«, rief sie überrascht. »Ich habe mir schon solche Sorgen um dich gemacht! Wo.«
Der Lautsprecher des Displays schnitt ihr das Wort ab. ». seht in das Gesicht des Verräters, Metach! Dieser Mann, Venron, hat heute versucht, das Unterfangen, dem wir alle unser Leben geschworen haben, zu zerstören. Er hat uns alle in tödliche Gefahr gebracht! Seht seine abscheuliche Tat!«
Venrons Gesicht verschwand. An seine Stelle trat die Totale einer Halle. In ihrer Mitte stand eine große, klobige Maschine, wie Denet-ree sie noch nie gesehen hatte. An einem Ende wölbten sich zwei halb durchsichtige Kuppeln wie die Augen eines Insekts, aber an der Stelle, an der das Maul des Tiers gewesen wäre, ragte ein langer, dreistieliger Stachel heraus. Einige Augenblicke lang geschah gar nichts. Hinter einer der Kuppeln nahm Denetree eine Bewegung wahr, aber das Material spiegelte und ließ nicht mehr als den Schemen eines Menschen erkennen.
Dann öffneten sich hinter der Maschine große Tore. Tenoy, Wächter, rannten herein. Sie trugen Körperpanzer, zielten mit langen Gewehren auf die Maschine. Eine Stimme dröhnte durch die Halle: »Komm zurück! Noch kannst du umkehren!«
Der Stachel schwenkte herum. Die Tenoy warfen sich in Deckung. Der Stachel beendete seine Drehung.
Das Bild fror ein. »Seht gut hin, was dieser Mörder getan hat!«, krächzte der Lautsprecher.
Der Stachel spuckte Feuer. Einmal, dann ein zweites Mal.
»Venron, nein!«, schrie Denetree hilflos der Aufzeichnung entgegen.
Aus dem hinteren Ende der Maschine drang ein riesiger Feuerstrahl, katapultierte sie durch die Wand aus Flammen und Rauch, die sich vor ihr auftat.
Die Maschine hinterließ eine Öffnung. Und durch sie hindurch sah Denetree die Sterne. Einen Moment lang vergaß sie ihre Angst. Die Sterne! Venron hatte sich nicht das Leben nehmen wollen, er hatte einen Weg zu den Sternen gefunden!
Ein Zischen, das blechern aus dem Lautsprecher drang, holte Denetrees Gedanken zurück. Es klang, als wehte in dem Saal ein furchtbarer Sturm. Er erfasste die Tenoy, riss mit furchtbarer Gewalt an ihnen. Die Männer und Frauen versuchten sich festzuhalten, aber der nackte Metallboden bot keinen Halt. Einer nach dem anderen wurden sie durch die Öffnung gesaugt, zu den Sternen, wo sie mit aus den Höhlen quellenden Augen und verzweifelt rudernden Armen und Beinen starben.
»Venron! Was hast du getan?« Tränen schossen in Denetrees Au-gen. Zum ersten Mal, seit sie sich erinnern konnte. »Das. das ist. was werden sie mit dir tun?«
Der Lautsprecher gab die Antwort: »Der Verräter hat sein verdientes Ende bereits gefunden. Und jene, die ihm geholfen haben, werden sein Schicksal teilen!«
Die Besatzung der PALENQUE wirkte wie ein auf einem Hinterwäldlerraumhafen im Eiltempo zusammengewürfelter Haufen, aber eines musste Rhodan ihr lassen: Sie war schnell.
Keine fünf Minuten waren seit der Eröffnung des Funkers verstrichen, als das Schiff an dem letzten bekannten Standort von Kriecher XI aus dem
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