PR Lemuria 03 - Exodus der Generationen
hundertzwanzig Jahren arbeite ich als Chronist für dich«, sagte Deshan. »Glaubst du nicht, dass ich ein wenig Ehrlichkeit verdient habe?«
»Mehr als das. Du verdienst Antwort auf alle deine Fragen. Aber ich darf'dir nicht alles sagen, Deshan. Manchmal genügen kleine Dinge für eine große Wirkung. Ich habe bereits viel verändert, aber das ließ sich nicht vermeiden, denn es geht um das Überleben der Lemurer. Das ist wichtiger als alles andere; dafür müssen wir bereit sein, jeden Preis zu zahlen. Ich habe... einen Teil der Zukunft geopfert.«
Paronn sah Deshan an, und wie in der Forschungsstation auf dem Anunna-Mond gewann der Chronist den Eindruck, dass er mit sich selbst rang. Deshan fühlte sich wie unmittelbar vor dem Sturz in eine tiefe Schlucht, in der eine schreckliche Wahrheit auf ihn wartete, und plötzlich war er gar nicht mehr sicher, ob er wirklich Bescheid wissen wollte.
Schließlich traf Paronn eine Entscheidung. »Ein Stein, den man ins unbewegte Wasser eines Teichs wirft, erzeugt Wellen, schafft Veränderung. Worte können Wellen im See der Realität bewirken, und sie sind umso höher, je mehr Informationen die Worte enthalten und je bedeutender diese Informationen sind. Ich könnte dir Geschichten erzählen, die fantastischer sind als alles, was du jemals gehört und gelesen hast, und mir ist durchaus klar, dass gerade du als Chronist viele Geschichten kennst - der Turm der Wahrheit in Marroar ist voll davon. Doch gewisse Dinge dürfen nicht bekannt werden, denn sie würden zu viel ändern und könnten Lemurs Kindern schaden. Deshalb bitte ich dich noch einmal um dein Vertrauen, Deshan. Ich versichere dir, dass ich mich mit meiner ganzen Kraft für das Wohl unseres Volkes einsetze.«
»Das glaube ich dir«, sagte Deshan. Er war gleichzeitig erleichtert und enttäuscht. »Inzwischen kenne ich dich zu gut, um etwas anderes anzunehmen. Du bist nicht Vehraato, aber du bist auch kein einfacher Lemurer.«
»Vielleicht bin ich der Verkünder, wie ich dir vor fast hundert Jahren im Proklamat von Marroar gesagt habe.« Paronn lächelte bei diesen Worten, aber sein Lächeln war schief, fast ein wenig wehmütig.
»Ich verstehe. Ein Mann auf halbem Wege zwischen einem gewöhnlichen Menschen und dem Zwölften Heroen.«
»Eine... angemessene Beschreibung.« Paronn blickte wieder nach draußen. »Nun, eins kann ich dir sagen, und es ist nur recht und billig, dass du darüber Bescheid weißt. Hast du dich nie gefragt, weshalb ich dich als Chronist in meine Dienste genommen habe?«
»Aus Eitelkeit?«
Paronn lachte. »Das glauben manche Leute, aber du bestimmt nicht. Du weißt, dass ich nicht eitel bin.«
»Weshalb dann?«
»Du hast allen Grund, stolz zu sein, Deshan. Die Geschichten, die du über mich und uns erzählst, sollen eine ferne Zukunft erreichen und ihr vom Exodus der Generationen berichten. Deine Aufzeichnungen werden sich an Bord des letzten Exodus-Schiffes befinden, das zu den Sternen aufbricht.«
Jorgal
Dies war die Welt der Maschinengesänge, die wahre Welt, eine Welt ohne Ungewissheiten und ohne Schmerz. Memerek war bei ihm, und Darhel mit dem schweren Kopf voller Wissen, und die kleine Alahandra, und die Maschinenmutter, nach der sich Jorgal immer gesehnt hatte. Dies war die Welt seiner Träume, die Wirklichkeit wurden, zu einer Realität, die ihn ganz vereinnahmte, seine Gedanken und Gefühle über die Grenzen des Physischen hinauswachsen ließ. Jorgal schwebte in einer Sphäre, die ihm Erfüllung brachte und Glück bescherte, umgeben von Liedern, in denen es keine Dissonanzen mehr gab. Und während er noch damit beschäftigt war, auch die letzten krummen Linien der Formenechos gerade zu biegen und der Symphonie, dem ehemaligen Chaoslied, eine durch und durch harmonische Struktur zu geben, stellte er plötzlich fest, dass an der Peripherie seiner Wahrnehmung Lieder verschwanden. Dadurch entstanden neue Misstöne in der Symphonie.
»Was geschieht?«, fragte er.
Das von der großen Alahandra entzündete Feuer zerstört Maschinen, antwortete die Melodie namens Darhel.
»Die Symphonie... bricht auseinander!«
Ich habe gesehen, gehört und geholfen, sprach eine andere Melodie, und Jorgal glaubte, zwischen den wogenden geometrischen Formen das Gesicht eines Mädchens zu sehen, ein Oval dort, wo sonst nur gerade Linien existierten. Die Lebensformen sind in Sicherheit.
Wir sterben, sang Memerek sanft, und Jorgals Erinnerungen zeigten ihm große grüne Augen. Unsere Körper sind
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