PR Lemuria 03 - Exodus der Generationen
Letzter verließ.
Im Osten schob sich Apsu hinter dem Horizont hervor, und ihr Licht ließ das Meer im Südwesten von Marroar glitzern. Die Industrieanlagen, zu denen Impetus gehörte, befanden sich ein ganzes Stück außerhalb der Stadt, aber wenn Marroar weiter so wuchs wie in den vergangenen Jahren, würden sie bald Teil der urbanen Peripherie sein. Das Raumfahrtzentrum des Großen Solidars war etwa zehn Kilometer entfernt, und man konnte die Startrampen gut erkennen. Wie stählerne Finger zeigten sie gen Himmel.
Deshan Apian trat ebenfalls an die Brüstung und hörte, wie der Mann an seiner Seite tief durchatmete. »Ist es nicht wunderbar?«, fragte Levian Paronn. »Als wenn die Welt mit jedem Morgen neu geboren wird und neue Möglichkeiten bekommt.«
Auch das erstaunte Deshan an diesem Mann: Im Schatten der Dynamik gab es Romantik, und manchmal schob sie sich ins Licht.
Die nächsten Minuten verstrichen in Stille, während Apsu langsam höher stieg und die Stadt erwachte.
Und dann ging Paronns kleines Morgenritual zu Ende. Er drehte sich um. »Ein neuer Tag hat begonnen«, sagte er. »An die Arbeit.«
Die Stunden vergingen wie im Flug, fand Deshan, und das, obwohl er an den Ereignissen nicht direkt beteiligt war und sie eigentlich nur aus der Perspektive des Beobachters und Zuhörers erlebte. Er wusste, dass es an diesem Tag für Levian Paronn zwei wichtige Termine gab, aber diesen Umstand nahm er offenbar nicht zum Anlass, bei den vielen anderen Dingen, die seine Aufmerksamkeit erforderten, Abstriche zu machen. Seine Arbeit war wie ein komplexes Mosaik, das an jedem Tag neu zusammengesetzt werden musste und aus vielen kleinen Teilen bestand: Dokumente, die es zu prüfen galt, Mitteilungen, die gelesen und verfasst werden wollten; Besprechungen aller Art; Anregungen und Lösungsvorschläge, wenn sich Probleme ergaben; die Delegation von Aufgaben, denn Paronn machte nicht den Fehler, alles selbst erledigen zu wollen; und viele andere nur scheinbar kleine Dinge, die sich in keine Kategorien pressen ließen.
Das Mittagessen war keine Pause, sondern Teil der Arbeit. An diesem Tag nutzte Levian Paronn es für den ersten der beiden wichtigen Termine. Im Schatten einer straff gespannten Dachplane über der Gastsektion des Dachterrassenrestaurants saßen sie an einem Tisch: Levian Paronn, Deshan Apian und Mepha Hatan, Dirigent des Raumfahrtsolidars, zu dem Impetus gehörte. Hatan war ein älterer, würdevoller Mann mit vielen grauen Strähnen im Haar und einer auffallend großen Nase. Er trug keine Symbole an seinem Hemd, aber Deshan wusste um seine hohen Verdienste und begeg-nete ihm deshalb mit angemessenem Respekt.
Nach dem Austausch von Höflichkeitsfloskeln, bei dem sich Paronn sehr entspannt gab, kam Hatan zur Sache. »Die von dir erzielten Fortschritte sind unbestreitbar«, sagte der Solidardirigent, während er mit Messer und Gabel geschickt den gebratenen Fisch auf seinem Teller zerlegte. »Aber mir ist nicht entgangen, dass bei Impetus eine Schwerpunktverlagerung stattfindet: Die Produktion von Ersatz- und Erweiterungsteilen für Orbital Eins und Zwei tritt zugunsten der Entwicklung neuer Antriebssysteme in den Hintergrund.«
Deshan beobachtete die beiden Männer und hörte aufmerksam zu, während er aß.
»Im letzten Halbjahr haben wir mehr Teile für die beiden Raumstationen produziert als im Vorjahr«, erwiderte Levian Paronn ruhig.
»In absoluten Zahlen, ja. Die Produktionskapazität ist gewachsen. Aber der Prozentsatz an innerbetrieblichen Ressourcen, die den Orbitalstationen gewidmet sind, ist gesunken, während für die einzelnen Entwicklungsabteilungen mehr bereitgestellt werden als jemals zuvor.«
Levian Paronn ließ Messer und Gabel sinken. »Ich weiß, worauf du hinauswillst«, sagte er, und Deshan hörte den Tonfall eines Mannes, der seine Worte sorgfältig wählte. »Die Mittel des Großen Solidars müssen so eingesetzt werden, dass sie den größten Nutzen für alle neunundvierzig Solidaren Komitees haben.«
»Ja, Wir können es uns nicht leisten, ökonomisches Potenzial zu vergeuden.«
»Aber ebenso falsch wäre es, nicht in die Zukunft zu investieren. Die Raumstationen sind ein Schritt, eine permanente Niederlassung auf dem Mond ein weiterer. Aber wenn wir zu den Planeten wollen, brauchen wir wesentlich leistungsfähigere Triebwerke, denn sonst sieht das Verhältnis von Kosten und Nutzen sehr schlecht aus. Denk nur an all die Rohstoffe in unserem Sonnensystem. Wenn uns
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