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PR Lemuria 03 - Exodus der Generationen

PR Lemuria 03 - Exodus der Generationen

Titel: PR Lemuria 03 - Exodus der Generationen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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können. Wohlstand für alle. Jeder hat einen Platz im großen
    Nest der Gemeinschaft.«
    »Das Paradies?«, fragte Deshan und sah nach draußen. Sie fuhren der untergehenden Sonne entgegen, und hinter ihnen in Marroar glühten erste Lichter. Es war jetzt nicht mehr weit bis zur Gedenkstätte Hedros.
    »Fast, zumindest in soziologischer Hinsicht. Eine perfekte Gesellschaft - weil sie traumatisiert ist.«
    »Die Konos«, sagte Deshan.
    »Ja«, bestätigte Mira und hielt den Blick auf die Fahrbahn gerichtet. Es herrschte noch immer erstaunlich viel Verkehr, selbst hier, außerhalb von Marroar. »Die Menschheit wäre fast ausgelöscht worden. Wir standen am Abgrund, und was wir dort gesehen haben, hat uns zutiefst entsetzt und für Jahrtausende gezeichnet. Jeder von uns trägt einen individuellen Selbsterhaltungstrieb in sich, aber es gibt auch einen kollektiven Selbsterhaltungstrieb, der die ganze Spezies betrifft.«
    »Du meinst, in unserer heutigen Gesellschaft gibt es keine inneren Konflikte, weil wir alle zusammenarbeiten, um zu überleben.«
    »Darauf läuft es hinaus. Das erlittene Trauma ist also der Motor, der unsere Gesellschaft antreibt. Ihr Chronisten sorgt dafür, dass sich die Wunde in unserer Seele nicht schließt und das Trauma andauert.«
    »Weil wir von der Vergangenheit berichten?« Deshan fühlte sich fast herausgefordert. »Weil wir bewahren, was gewesen ist? Wir sind heute das Ergebnis all der Dinge, die in unserer Vergangenheit geschehen sind. Die Wahrheit darf nicht in Vergessenheit geraten.«
    »Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Ich weiß, wie wichtig deine Aufgabe ist. Die Vergangenheit muss wach bleiben, da bin ich ganz deiner Meinung. Aber stell dir einmal vor, das Trauma verschwindet. Was passiert dann mit uns?«
    »Wenn man deine Überlegungen weiterführt... Ohne das Trauma verliert unsere Gesellschaft den inneren Zusammenhang?«
    »Kommt darauf an. Sie könnte auch noch weiterwachsen.« Einige Sekunden lang schwieg Mira, und Deshan gewann den Eindruck, dass sie ihre Gedanken ordnete und nach Worten suchte. Am Horizont erschien ein hell erleuchteter Gebäudekomplex, wie ein Fanal in der beginnenden Nacht. »Ich glaube, wir stehen derzeit an einem
    Wendepunkt. Das Trauma, das uns zu dem gemacht hat, was wir heute sind, existiert noch immer, und es entfaltet jetzt neue Kraft. Erinnerst du dich an meinen Hinweis von Quantität, die in Qualität umschlägt? Vor einigen Jahren hat eine Entwicklung begonnen, die jetzt immer deutlicher zutage tritt, und ich glaube, sie wird Veränderungen in unserer Gesellschaft bewirken.«
    Das klang fast wie eine Prophezeiung, fand Deshan. »Positive oder negative?«
    »Schwer zu sagen.« Der Elektrowagen wurde langsamer - weiter vorn, an den Zufahrten der Gedenkstätte, staute sich der Verkehr. »Es kommt ganz darauf an, aus welchem Blickwinkel man es sieht. Dies hier ist ein Indiz.« Mira deutete nach vorn.
    »Offenbar sind ziemlich viele Leute an der Veranstaltung interessiert.«
    »Es werden immer mehr. Die Sternensucher gewinnen rasch weitere Anhänger.«
    Deshan blickte nachdenklich auf das Display des kleinen Zephalons und erinnerte sich an eine Stelle, die er gelesen hatte. »Du hast betont, dass Veränderungen in der Gesellschaft auf äußere Stimuli oder neue Bedürfnisse einer gewachsenen, reiferen soziologischen Entität zurückgehen. Was ist hier der Fall?«
    Sie passierten eine Zufahrt, und Mira lenkte den Wagen über eine Rampe nach unten in die große Tiefgarage. Kurze Zeit später hatte sie einen freien Stellplatz gefunden, parkte, schaltete den Elektromotor aus und lehnte sich zurück. Sie blieben sitzen, während um sie herum weitere Fahrzeuge anhielten. Männer, Frauen und auch Kinder stiegen aus und gingen in Richtung der Treppen und Aufzüge.
    »Vielleicht sowohl das eine als auch das andere«, sagte Mira und strich sich geistesabwesend über den Bauch. »Es heißt, der Zwölfte Heroe Vehraato sei zurückgekehrt.«
    Sie saßen in einer der oberen Sitzreihen des Amphitheaters, so weit vom Podium entfernt, dass die Gesichter der dortigen Personen vage Flecken waren, ohne individuelle Einzelheiten. Aber die jeweiligen Sprecher erschienen auf großen Bildschirmen, und ihre Stimmen hallten aus Lautsprechern.
    Deshan Apian besann sich auf seine Rolle als Chronist - er spielte mit dem Gedanken, einen Bericht über diese Veranstaltung zu verfassen und ihn Marroars Medien anzubieten - und nahm zunächst allgemeine Eindrücke in sich auf.

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