PR Lemuria 03 - Exodus der Generationen
Darhel und die anderen gewesen wäre, auch für ihn. Während sein Selbst, das sich nach reinen Harmonien sehnte, im Chaos trieb, spürte er Bewegung und ahnte, dass die Kugel durch den Hauptraum schwebte und sich der offenen Tür des Nebenraums näherte. Ihre kreischenden Gesänge berichteten von Zerstörung.
Der Maschinenflüsterer versuchte, alles andere beiseitezuschieben, nahm den Schmerz der Missklänge hin und suchte nach einem Muster, nach der Andeutung von Struktur. Er wusste, dass so etwas existierte. Kein Maschinenlied unterlag allein dem Zufall; immer gab es irgendwo ein stimulierendes, steuerndes Element, einen Ordnungsfaktor selbst in der chaotischsten Kakophonie.
Wie schon zuvor bei der Tür bemühte er sich, Teil des Liedes zu werden, sich dem Schrillen wie ein zusätzlicher Klang hinzuzufügen und den Gesang dadurch neu zu formen. Doch das Kreischen betäubte ihn fast, und dahinter, in einer stillen Sphäre jenseits des Lärms, spürte er eine sonderbare Präsenz, unermesslich fremd und gleichzeitig sehr verlockend. Erstaunt konzentrierte er sich darauf und fühlte noch mehr: die zarten Echos einer fernen Melodie, überaus komplex, mit Tausenden ineinander verwobener Harmonien, eine herrliche Symphonie, voller Kraft, aber... unvollständig. Seltsam, fand Jorgal. Wie konnte etwas so kolossal Komplexes unvollständig sein? Wie konnte er auch nur den Eindruck von Unvollständigkeit gewinnen, obwohl er nicht mehr hörte als einen kleinen Teil des Ganzen?
Plötzlich merkte er, wie es um ihn herum ruhiger wurde. Der Lärm ließ nicht nach, doch Jorgal lernte, auch die Stille zwischen dem Kreischen und Heulen zu hören, und in einen dieser ruhigen Zwischenräume kroch er, griff nach nahen Tönen und verband sie zu ersten melodischen Sequenzen.
Das Chaoslied veränderte sich, und Jorgal konnte sich jetzt besser darin bewegen. Etwas in ihm wollte versuchen, sich der fernen Melodie zu nähern, von der ein großer Reiz ausging, aber er erinnerte sich an die Aufgabe, die er hier erfüllen musste. Ein feines Gespinst entstand, als er weitere Töne miteinander verband, doch dann genügte ein Moment der Unachtsamkeit - er ließ sich dazu hinreißen, dem fernen Gesang zu lauschen -, um das Netz des neuen Lieds zu zerreißen.
Während Jorgal erneut durch das fremde Kreischen und Heulen stürzte, sahen seine Augen einen weiteren Lichtfinger, der von der schwebenden Kugel mit den Dornen ausging und über die Jüngsten hinweg strich. Ihre Körper lösten sich auf.
»Jorgal!«, rief Memerek im Nebenraum, und der Maschinenflüsterer stellte fest, dass sich das Maschinenwesen der offenen Tür zwischen beiden Räumen näherte. Die Jüngsten existierten nicht mehr, und wenn die tödlichen Lichtfinger Gelegenheit bekamen, auch Memerek und die anderen zu berühren...
Wieder konzentrierte er sich auf die stillen Zonen zwischen den einzelnen disharmonischen Tönen und begann erneut damit, Verbindungen zu schaffen und das Schrillen in eine echte Melodie zu verwandeln. Nur daran dachte er jetzt, an nichts anderes, und nach einer Weile spürte er trotz der Fremdartigkeit dieser Klänge, wie sie auf seine Wünsche reagierten. Das Kreischen und Heulen wurde leiser, harmonischer, und die stillen Zonen dehnten sich ein wenig aus, passten sich den Tonfolgen an. Wieder entstand das Gespinst eines Maschinengesangs und gab Jorgal ein Gefühl dafür, wo es etwas zu verändern galt, um bestimmte physische Resultate zu erzielen.
Die Dornenkugel sank neben der Tür zu Boden, und Jorgal umgab die tödliche Energie in ihr mit einer neutralisierenden Melodie. Beim Lied in der Ferne wechselte die Tonhöhe, und Jorgal glaubte, das Äquivalent von Verwunderung und einer Frage zu hören.
»Jorgal?«
Er hob müde den Kopf und sah Memerek, die schöne Memerek, in deren großen grünen Augen Sorge glänzte. »Ich bin so müde...«
»Kannst du nicht ein wenig Maschinenkraft aufnehmen?«
Jorgal beobachtete, wie Darhel an der Kugel hantierte, und dabei schwang der große runde Kopf auf dem dünnen Hals immer wieder hin und her. Suchte er nach Maschinenwissen? Aber dann wurde sein Kopf noch schwerer!
»Hier gibt es nicht genug«, erwiderte er leise. »Und ich habe keinen direkten Zugang zu ihr.«
Darhel näherte sich.
»Jorgal, bist du kräftig genug, um zu gehen?«
Der Maschinenflüsterer hatte sein drittes Bein bereits zurückgezogen und stand auf. Erschöpfung ließ ihn schwanken. Nach wie vor kribbelte die Ungewissheit in ihm, und er
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