PR Lemuria 03 - Exodus der Generationen
großen Wohnung saß, kam Mira herein, inzwischen Mutter von sechs Kindern und anerkannte Psychosoziologin. »Du hast mir doch erzählt, dass Levian Paronn im Jahr 4460 in der Forschungskolonie Torhad geboren ist.«
Deshan erinnerte sich an das Gespräch darüber, auch an den Unfall, dem Levians Eltern zum Opfer gefallen waren. Der Möglichkeit, dass damals auch ihr Sohn ums Leben gekommen und jemand anders in seine Rolle geschlüpft war, stand er inzwischen mit mehr Reife und Rationalität gegenüber - und daher mit größerer Skepsis. »Ja.«
»Hast du dir deinen Auftraggeber in letzter Zeit einmal genauer angesehen?«
»Wie meinst du das?«
»Komm, ich möchte dir etwas zeigen.«
Deshan stand auf und folgte ihr in den Flur. Hinter der halb offenen Tür eines nahen Zimmers erklangen vertraute Stimmen: Die sechzehnjährige Tamaha und ihre zwei Jahre jüngere Schwester Milissa sprachen über ein gentechnisches Projekt des Lehrsolidars, das sie besuchten. Sie klingen schon wie Frauen, dachte Deshan und staunte darüber, wie schnell die Zeit verging. Noch einige Jahre, und sie sind erwachsen.
Miras Zimmer mit den Zephalonen befand sich direkt neben dem großen, mit vielen Pflanzen geschmückten Gemeinschaftsraum, durch dessen breite Fensterfront man über Marroar hinwegsehen konnte. Die Wohnung befand sich im Inneren Distrikt, im dreißigsten Stock eines Gebäudes des zentralen Verdienstbezirks. Wer hier wohnte, hatte große Verdienste errungen. Die kleineren Kinder spielten ein Geschicklichkeitsspiel mit Miniprojektoren, die so zusammengefügt werden mussten, dass besonders hübsche Reflexionsmuster entstanden.
Eine junge Erzieherin in den Diensten des Sechsten Solidaren Ko-mitees leistete ihnen Gesellschaft, außerdem auch eine Mutter mit zwei Kindern aus einem anderen Haus. Mira und Deshan kümmerten sich gemeinsam um ihre Töchter und Söhne, aber sie griffen auch oft auf die Hilfe von Solidarerziehern oder den pädagogischen Beistand anderer Mütter zurück, denn beide wollten sich, wie in der lemurischen Gesellschaft üblich, trotz des großen Hauses ihre beruflichen Freiheiten bewahren. Mira gefiel sich in ihrer Rolle als Mutter, aber sie war auch Zephalonspezialistin und Psychosoziologin, und natürlich setzte sie die Arbeit auf beiden Gebieten fort.
Sie betraten das Zimmer neben dem Gemeinschaftsraum, und Mira schloss die Tür, deutete an hohen Pflanzen vorbei zu den leise summenden Zephalonen. Ein großes Display zeigte ein Bild von Levian Paronn, angefertigt an Bord der Raumstation.
»Das ist er heute«, sagte Mira. »Anweisung: Bildwechsel.«
Das von Mira Lemroth mit entwickelte System, das die direkte Verarbeitung von Sprache gestattete, war längst zum Standard moderner Zephalonen geworden und funktionierte auch mit viel komplexeren Anweisungen. Das Bild verschwand vom Schirm, und ein anderes erschien, das ebenfalls Levian Paronn zeigte, aber in einer anderen Umgebung.
»Fällt dir irgendetwas auf?«, fragte Mira.
Deshan musterte den Mann, für den er eine persönliche Chronik anfertigte. »Es ist ebenfalls Levian Paronn.«
»Wann sind deiner Meinung nach die beiden Aufnahmen angefertigt worden? Anweisung: Zeige beide Bilder auf dem Schirm.«
Die Aufnahmen erschienen nebeneinander. »Vor kurzer Zeit«, sagte Deshan.
»Beide?«
»Ja. Paronn sieht auf beiden Bildern gleich aus.«
Mira nickte und deutete auf die linke Aufnahme. »Dieses Bild stammt aus dem Jahr 4502. Es ist neunzehn Jahre alt.«
Deshan sah genauer hin, konnte im Gesicht aber keinen Unterschied erkennen.
»Ich habe beide Gesichter von einem speziellen Erkennungsprogramm untersuchen lassen. Dein Eindruck täuscht dich nicht: Sie sind identisch.«
»Aber das bedeutet... «
»Es bedeutet, dass Levian Paronn während der vergangenen neunzehn Jahre nicht gealtert ist.«
»Wir wissen jetzt, warum sich bei gleichen Testbedingungen unterschiedliche Resultate ergaben«, sagte Professor Luban. Sein Gesicht zeigte sich auf dem Kommunikationsmonitor an Bord des Shuttles, der Levian Paronn und seinen Chronisten Deshan Apian erneut zur Raumstation brachte, zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate.
»Ich bin ganz Ohr«, erwiderte Paronn, der es sich auch diesmal nicht nehmen ließ, den Shuttle selbst zu fliegen. Eine Manövrierdüse zündete und gab für mehrere Sekunden Schub, um den Kurs des kleinen Raumschiffs zu korrigieren.
Deshan blickte durchs Fenster und sah die Raumstation, deren Konturen sich vor der hellen Tagseite Lemurs
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