PR Lemuria 06 - Die längste Nacht
nicht sagen.
Ein Geräusch aus dem Nebenraum erschreckte ihn.
Inzwischen hatte er Mühe, sich vom Anblick der friedlich schlafenden Stadt loszureißen. Er verzichtete darauf, Licht zu machen, und tastete sich in völliger Finsternis auf den Flur hinaus.
Unter der Tür zu Janoks Zimmer zeichnete sich ein schmaler Streifen fahler Helligkeit ab. Also war Erghena bei ihm.
Überaus behutsam öffnete Levian die Tür. Das leise Knarren der Scharniere klang dennoch überlaut. Erghena blinzelte, konnte vor Müdigkeit die Augen kaum noch offen halten, doch ein Lächeln huschte über ihre Züge.
Auf dem Antigravkissen hatte sie es sich einigermaßen bequem gemacht. Halb zurückgelehnt, die Beine angezogen, verharrte sie in ihrer Lieblingsstellung. Janok lag auf ihrem Schoß. Sie stützte ihn mit dem linken Unterarm und hatte den kleinen Kopf in ihrer Handfläche geborgen.
Solche Momente taten gut, ließen sie doch allen Grausamkeiten zum Trotz einen tiefen Frieden spüren. Solange den Lemurern derartige Gefühle nicht abhanden kamen, bestand noch Hoffnung.
Vier lemurische Monate war Janok erst alt. Dass seine Heimatwelt nicht mehr existierte, konnte er noch nicht begreifen, aber irgendwann würde er es erfahren und verstehen lernen, in was für einer entsetzlichen Zeit er lebte. Janok entwickelte sich prächtig, sagte Erghena. Seit ihre Eltern bei einem Angriff der Bestien umgekommen waren, hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht als ein eigenes Kind. Trotz des Krieges, oder vielleicht gerade deshalb. Wirklich verstanden hatte Levian das nie.
Er küsste Erghena auf die Stirn.
Janok schlief unruhig. Er hatte den Daumen in den Mund geschoben und schmatzte leise im Schlaf. Hin und wieder zuckten seine Be-inchen, dann schluchzte er, und ein Zittern durchlief den kleinen Körper. So auch jetzt. Doch zugleich erschien ein seliges Lächeln in dem ebenmäßigen Gesicht mit den beiden Grübchen und der Stupsnase.
Ich liebe euch beide, sagte Erghenas Blick.
Draußen herrschte nach wie vor Todesstille. Levians Blick wan-derte zum Fenster, doch die Scheibe war abgedunkelt. Er konnte nicht sehen, wie sich das Wetterleuchten entwickelte. Vielleicht zog ein Gewitter auf. Die Klimakontrolle war auf ein Mindestmaß zurückgefahren worden, seit der Planet unter dem Ansturm der Flüchtlinge ächzte. Es gab keine überschüssige Energie mehr, die in die Ozeane eingeleitet oder zur Dämpfung entstehender Sturmgebiete verwendet werden konnte; alles, was erzeugt wurde, benötigte die Verwaltung, um das öffentliche Leben aufrechtzuerhalten. Deshalb hatte es in den letzten Tagen schon geschneit, obwohl bis zum Wintereinbruch noch einige Monate waren.
Erghena legte Janok in sein Bett und deckte ihn vorsichtig zu. Mit einer knappen Handbewegung löschte sie das Licht.
»Ich hoffe und bete, dass dieser unselige Krieg bald ein Ende haben wird«, sagte sie Minuten später, als sie neben Levian auf den Polstern des Wohnraums lag, die Hände im Nacken verschränkt, und zur Deckenprojektion aufblickte. Nur zwei Kanäle in der bislang üppigen Medienvielfalt waren aktiv. Die lokalen Nachrichten zeigten einen Bericht über den unerwarteten Kälteeinbruch; der überregionale Sender beschäftigte sich mit dem Thema der Sonnentransmitter.
Ein greller Blitz erschreckte Levian. Er stemmte sich auf den Ellenbogen hoch und blickte zum Fenster. Augenblicke später rollte der Donner heran.
Erghena zog ihn zurück, umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und küsste ihn, zärtlich erst, doch schnell auch fordernd. »Du bist schreckhaft geworden.«
»Ich dachte... «
»Sprich jetzt nicht von den verdammten Bestien!« Sie drückte ihm zwei Finger auf die Lippen. »Wir sind in Sicherheit, Lev, wenigstens für ein paar Jahre. Und was dann geschehen wird... ich weiß es nicht. Niemand kann das vorhersehen.«
Der nächste Blitz tauchte den Raum in fahlen Widerschein. Erghena blendete das Fenster ab. In den Raumecken glomm der grüne Schimmer der Nachbeleuchtung auf.
Mit einem Ruck löste sie den Magnetsaum von Levians Jacke. Ihre Bewegungen wurden fordernder, und plötzlich kniete sie über ihm, zog ihn mit einer Hand halb zu sich heran, wobei Levian zögernd mithalf, und streifte mit der anderen den dicken Stoff über seine Schultern. Ihre Lippen fanden die seinen und saugten sich an ihm fest, als sei dies der letzte Kuss in ihrem Leben, während gleichzeitig ihre Hände nach unten glitten, seinen Gürtel öffneten und sich tiefer wühlten.
Mit einem
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