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PR Lemuria 06 - Die längste Nacht

PR Lemuria 06 - Die längste Nacht

Titel: PR Lemuria 06 - Die längste Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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als er zwei schwarze Raumer bemerkte, die nur wenige Kilometer hoch über der Stadt standen und Schuss um Schuss in die Tiefe jagten. Widerstand regte sich nicht mehr.
    Sie legten die Stadt vollends in Schutt und Asche, eine Metropole, in der offiziell vier Millionen Lemurer lebten - gelebt hatten. Die Zahl war ein halbes Jahr alt, und die Bevölkerung war zuletzt auf mehr als acht Millionen angewachsen, von denen viele in provisorischen Unterkünften in den weitläufigen Grünanlagen und am Stadtrand gelebt hatten. Levian wagte nicht, an die unzähligen Opfer zu denken, die allein die letzten Minuten gefordert hatten.
    Stickige Hitze schlug ihm entgegen. Erst jetzt spürte er die eigene Schwäche, die ihn taumeln ließ, und hielt erschöpft inne. Erghena löste sich von ihm, machte einige zitternde Schritte zur Seite und sank seufzend zu Boden.
    »Steh auf!«, sagte er. »Wir müssen weiter.«
    Sie schien ihn nicht zu hören. Oder nicht hören zu wollen. Die Thermoschüsse kamen näher. Es hatte den Anschein, als zerstörten die Bestien gezielt alle Gebäude, die nach der ersten Angriffswelle noch halbwegs unversehrt aufragten.
    Erghenas Gesicht war verbrannt und aufgequollen, ihr langes Haar zur rußigen Masse verbacken. Wohin?, schien ihr Blick zu fragen und wanderte an der von Einschlägen übersäten Fassade empor. Rund um den Wohnturm quoll Rauch aus brennenden Wohnungen und verhüllte immer mehr von den oberen Etagen. Irgendwo dort oben lag Janoks verbrannter Leichnam.
    Levian ertappte sich, wie er in hilflosem Zorn die Fäuste ballte. »Ihr verdammten Bestien!«, wollte er schreien, doch seine Kehle war wie zugeschnürt.
    Die Einschläge lagen schon bedrohlich nahe. Er spürte die erneut angefachte Hitze und wartete nur noch auf den Tod. Weil es keinen Sinn mehr hatte, davonzulaufen, weiter und immer weiter, um irgendwann dann doch in die Enge getrieben zu werden. Ein paar hundert Meter noch ... Er würde den Tod kaum spüren, vielleicht noch ein grelles, alles verschlingendes Licht sehen ...
    Erghena hatte sich aufgerafft, sah ihn stumm an. Dann wandte sie sich um und stolperte davon.
    »Erghena!« Levians Aufschrei vermischte sich mit dem grässlichen Fauchen eines jäh aufzuckenden grellweißen Blitzes. Die Glutbahn wanderte weiter, fraß sich die Fassade empor und ließ Stahl wie zähflüssiges Wachs abtropfen.
    Aber darauf achtete er nicht mehr. Wo Erghena eben noch gestanden hatte, brodelte der Boden in greller Glut.
    Im Bruchteil eines Augenblicks war sie zu Asche verbrannt, aber ihn hatte die tödliche Hitze verschont.
    »Kommt zurück!«, keuchte er. »Erspart mir die Qual...«
    Die Strahlbahnen zogen weiter.
    Langsam sank er auf die Knie. Sekundenlang hielt er sich noch aufrecht, dann kippte er vornüber. Warum ?, war sein letzter Gedanke, bevor ihn die Ohnmacht vorerst erlöste. Warum bleibe ich verschont?
    Die Berührung erschreckte ihn. Im ersten Moment wusste Levian Paronn nicht einzuordnen, wo er sich wirklich befand, denn die Erinnerung entließ ihn nur zögernd aus ihrem Bann.
    »Ich kann nicht sagen, was den Zusammenbruch ausgelöst hat«, vernahm er eine nachdenklich klingende Stimme. »Dafür wären ausführlichere Untersuchungen erforderlich. Allerdings sieht es nicht so aus, als bestünde dafür noch eine Veranlassung.«
    »Du meinst, weil er dieses... Gerät...?« Der Sprecher verstummte mitten im Satz.
    Wieder herrschte Stille. Sie wurde nur vom monotonen Ticken eines Überwachungsgeräts durchbrochen.
    Erghena! Komm zurück! Doch Paronn konnte sie nicht festhalten, das hatte er damals, vor einer Ewigkeit, nicht geschafft, und das vermochte er heute ebenso wenig.
    Nie hatte er über seine Familie geredet, hatte nur ein einziges Mal seinem Chronisten Deshan Apian gegenüber den Verlust einer Person erwähnt, die ihm sehr viel bedeutet hatte. Von Janok hatte er überhaupt nie gesprochen. Weil er sich für seinen Tod verantwortlich fühlte. Er hätte Janok retten können, es wäre so einfach gewesen. Aber er hatte alles falsch gemacht.
    Erghenas Antlitz begann zu verblassen.
    Bald waren da nur noch ihre Augen, die ihn aus der Unendlichkeit anschauten. Aber nicht einmal diesen Moment konnte er festhalten.
    Er stöhnte. Vor seinem inneren Auge existierte nur noch ein Zerrbild, von grässlichen Brandwunden gezeichnet, entstellt, blutüberströmt... nicht die Erghena, der er auf Lemuria zum ersten Mal begegnet war.
    Lemur hatte ihrer beider Heimat zur Zeit des Großen Tamaniums geheißen.

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