PR NEO 0035 – Geister des Krieges
nicht gekommen, um Gefangene zu machen.
Je näher sie dem vermuteten Standort der Zentrale kamen, desto mehr spiegelten die Wände und Korridore dies dem Anschein nach wider. Hatten oben an den Hangars eher wegweisende Schriftzeichen, Arbeitsstationen und Energieanschlüsse die Wände geziert, fiel Novaals wachsam suchender Blick nun vermehrt auf kleinere Positronik-Interfaces und Holo-Emitter, die in gewissen Abständen in die zweckmäßig-schmucklose Gangverkleidung eingelassen waren.
Wann immer er sie zu bedienen versuchte, scheiterte er. Mit den Sirenen war offenbar eine Art Lock-down-Modus eingetreten, der auch die Interfaces blockierte.
In der Zentrale haben sie garantiert noch Zugriff auf den Stationsspeicher, versicherte ihm Grek 691, als er es ein weiteres Mal ergebnislos an einer solchen Schnittstelle probierte. Sowie du dort bist, Novaal, gehört er dir. Und seine Geheimnisse gleich mit.
Zweifellos. Arkon hätte sicher nichts dagegen, den Speicher einer imposanten topsidischen Grenzstation analysieren zu dürfen. Novaal wäre ein Held, ermöglichte er den Arkoniden diese Chance.
Warum fühlt sie sich dann so falsch an?, fragte er sich. Die Antwort wusste er allerdings, spürte sie in jedem Winkel seines Verstandes: weil sich nichts änderte. Weil auf jedes besiegte Rayold I ein neues Rayold I folgte. Weil tausend tote Echsen keinen entführten Sohn zurückbrachten, Arkoniden vielleicht doch Stickstoffer hießen und der Tod kein Sieg war, sondern nur ein Ende ohne Sinn.
Das waren frevlerische Gedanken. Novaal wusste es; doch er konnte sie nicht abschütteln. Er ahnte, dass es ehrlos wäre, sie zu ignorieren.
Dann erreichten Inkmoon und er die direkte Umgebung der Zentrale. Die Ausstattung der Station ließ keinen Zweifel zu: Das Herzstück der topsidischen Defensive befand sich gleich hinter dieser geschlossenen Tür.
Und vor ihr wartete der Feind.
Inkmoon ging in Deckung, hob die Strahlenwaffe und legte an. Novaal tat es ihm gleich. Doch dann geschah etwas Seltsames.
»Krieger!«, rief eine Stimme. »Halten Sie ein, ich bitte Sie!«
Etwas fiel zu Boden, und gleich darauf hörte Novaal, wie es über diesen glitt. Erst in ihrem Blickfeld hielt es an. Es handelte sich um eine topsidische Waffe, und sie gehörte offenbar dem, der dort zu ihnen sprach.
»Ich heiße Rekk-Kullahn«, fuhr die Stimme fort. »Stellvertretender Kommandant der Festung Rayold I. Im Namen meiner gesamten Besatzung biete ich Ihnen unsere sofortige und bedingungslose Kapitulation an.«
Schweigen. Novaal sah zu Inkmoon, der den Blick verblüfft erwiderte. Die gaben auf? Einfach so?
»Hören Sie mich, Soldaten der Naats?«, setzte Rekk-Kullahn nach. Er sprach mit fester Stimme. »Wir ergeben uns ohne jede Einschränkung. Sie haben nichts von uns zu befürchten. Die Zentrale der Station steht Ihnen offen.«
Das ist ein Trick!, zischte Grek 691, und seiner Miene nach zu urteilen, dachte Inkmoon dasselbe.
Novaal stutzte. »Warte!«, flüsterte er, als Inkmoon schon wieder schießen wollte.
»Worauf? Sie glauben diesen Echsen doch wohl nicht, Reekha!«
Novaal verstand Inkmoons Zorn. Eine Kapitulation war für Naats ein Ding der Unmöglichkeit. Wem nutzte sie? Wem brachte sie etwas?
Wer kapitulierte, opferte seine Ehre und Selbstachtung für ein Leben, das nicht länger lebenswert war. Er bewies keine Weitsicht, sondern Feigheit. Und wer auf ein solches Angebot einging, entehrte seine Gegner auf schlimme Weise, verdammte sie zu einer Existenz ohne Wert und Anstand. Eine Kapitulation war schlimmer als der Tod, denn im Tod lag wenigstens die Möglichkeit auf einen würdevollen Abgang.
Inkmoon schüttelte die Hand, die Novaal ihm auf die Schulter gelegt hatte, ab und sprang, die Waffe hoch erhoben, aus der Deckung und auf den Gang zur Zentrale.
Novaal unterdrückte einen Fluch, folgte ihm aber. An der Szenerie hatte sich nichts geändert. Nun, da er sie genauer in Augenschein nehmen konnte, bemerkte er mehr Details. Dort standen, gleich vor dem Durchgang zum Herzstück der Festung, zwei topsidische Offiziere. Und sie waren inzwischen unbewaffnet.
»Wir kapitulieren«, wiederholte Rekk-Kullahn mit beschwörendem Tonfall. Er war ein breitschultriger Topsider mit dunkelbraunen Schuppen.
»Ach ja?«, raunte Inkmoon an Novaals Seite. »Hätte die HONUNT wohl auch besser mal gemacht, he?«
Novaal ahnte, was geschehen würde. Dennoch packte ihn das Entsetzen, als er es sah. Inkmoon zögerte keine Sekunde, blinzelte nicht. Kaum
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