PR NEO 0041 – Zu den Sternen
einer Enttarnung verhalten sollte. Nun war er auf sich allein gestellt.
»Los, Sid«, drängte Chaktor. »Sag mir die Wahrheit. Sonst besprechen wir die Angelegenheit zusammen mit Oberst Kowaltschuk.«
Sid seufzte resignierend. »Ich habe keinen eigentlichen Auftrag. Ich bin hier, um eine solide Grundausbildung als Raumfahrer zu erhalten. Ich soll reifer werden, sagt Terrania ...«
Chaktor sah ihn eine Weile lang prüfend an. »Und was willst du?«
»Ich will, was ich immer schon wollte: zu den Sternen.«
»Mit ›Terrania‹ meinst du Homer G. Adams und Allan D. Mercant?«
Sid senkte den Blick und nickte stumm.
»Und weshalb dieses Versteckspiel?«, fragte Chaktor. »Wie ich gesehen habe, sind an der Akademie einige Kadetten eingeschrieben, deren Eltern hohe politische und militärische Ämter bekleiden. Habt ihr wirklich gedacht, dass deine Identität speziell geschützt werden müsste?«
Sid blickte den Ferronen verärgert an. »Ich bin nicht wichtiger als andere an der Akademie.«
»Aber?«
»Es gibt eigentlich zwei Gründe«, sagte Sid zögernd. Er wollte Chaktor nicht alles erzählen.
»Welche?«
Sid seufzte. »Ich habe mit dem Kapitel Terrania vorerst abgeschlossen. Ich bin abgehauen, habe ihnen eine Nachricht hinterlassen. Habe ihnen gesagt, dass ich meinen eigenen Weg gehen will. Anstatt dass ich meine Fähigkeiten zwischen den Sternen anwenden durfte, war ich nur noch ein Lakeside-Versuchskaninchen.«
»Ich verstehe. Und der zweite Grund?«
Sid gab sich einen Ruck. »Ich bin ein Mutant. Wenn dies von Anfang an bekannt geworden wäre, hätte dies alles verändert. Ob ich es wollte oder nicht, wäre ich zu einer speziellen Person in Baikonur geworden. Alle hätten erwartet, dass ich mich aus Situationen wie dem Überlebenstest im Schneesturm durch einen einfachen Sprung befreien würde. Meine Kameraden hätten dies von mir beim Auftreten der ersten Schwierigkeiten verlangt. Und falls ich mich geweigert hätte, hätte ich automatisch als Kameradenschwein dagestanden. Das wollten weder Mercant noch Adams, noch ich. Deshalb die Scharade.« Er senkte den Blick und fügte leise an: »Und deshalb ist Ihr Auftauchen hier das Schlimmste, was mir geschehen konnte.«
Eine Weile sagte keiner von ihnen ein Wort. Dann seufzte Chaktor leise.
»Nun kann ich deine und eure Beweggründe besser verstehen. Ich halte es zwar nach wie vor für falsch, eine so wichtige Ausbildung in ein Lügengebilde einzubetten, das im dümmsten Moment in sich zusammenfallen kann. Aber ich gebe dir recht, dass die ehrliche Alternative die Ordnung an der Akademie empfindlich hätte stören können. Du hättest mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht dieselben Ausbildungsbedingungen vorgefunden wie die anderen Kadetten. Deshalb werde ich diesen Entscheid respektieren.«
Sid sah überrascht auf. »Heißt das, dass Sie mich nicht verraten werden?«, fragte er.
»Keiner von uns hätte etwas davon, wenn die Wahrheit jetzt ans Licht käme. Du hast von mir nichts zu befürchten, Sid González.«
Sid stieß die angehaltene Luft aus. Die ganze Anspannung verflog. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
»Na, na«, sagte Chaktor. »Heißt es nicht in einem terranischen Lied, dass Raumfahrer nicht weinen?«
»Dass Raumfahrer nicht schreien«, korrigierte Sid mit tränenerstickter Stimme. »Weil man sie im Weltraum sowieso nicht hören kann.«
Chaktor lachte knarrend. »Und ich dachte, die Terraner hätten zumindest das Funkgerät bereits erfunden.« Er erhob sich. »Wie ich von Rinkhel erfahren habe, befindest du dich in den obersten zehn Leistungsprozent aller Kadetten. Er sagt, dass dein Einsatzwillen außergewöhnlich hoch ist und du es verstehst, deine Schwächen in Stärken zu verwandeln. Das respektiere ich, und ich wünsche dir auf deinem weiteren Weg in der Akademie viel Kraft und Disziplin.«
Sid wischte sich über die Augen, erhob sich ebenfalls. In sich spürte er grenzenlose Erleichterung. Nicht nur durfte er weiterhin unter falscher Identität an der Akademie bleiben, Wrinkle hatte ihn sogar Chaktor gegenüber gelobt.
»Danke!«, sagte er mit bebender Stimme. »Danke für alles!«
»Und ich danke dir für deine Ehrlichkeit.«
Chaktor wandte sich zum Gehen, hielt inne und fügte hinzu: »Ich habe dich in den vergangenen zwei Tagen beobachtet, Sid. Du hast mit diesem Maurice S. Hollander Freundschaft geschlossen.«
Sid nickte verblüfft. »Ja, das habe ich. Weshalb?«
»Hüte dich vor ihm. Er ist ein
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