PR NEO 0041 – Zu den Sternen
mich nicht im Stich lassen wirst.«
»Ich werde dich auch nicht im Stich lassen. Es ist wirklich nur ein harmloser Scherz. Selbst wenn sie uns erwischen sollten, werden wir nicht von der Akademie fliegen.«
»Versprochen?«
»Versprochen!«
Mit traurigem Gesicht wandte sich Juri um und ging davon.
»Und wie geht es nun weiter?«, fragte Hollander.
»Du wirst mir erklären, wie ich mit deinem Folienpod die Sicherheitsvorkehrungen der Station ausschalten kann. Dann werde ich hineingehen, und du wirst brav warten, bis ich die Tür geöffnet habe. Dann wirst du den Computer manipulieren und das Zentrum durch die Tür wieder verlassen, während ich mich um den Rest kümmere. Alles verstanden?«
Hollander nickte. Es fühlte sich für Sid seltsam an, dass plötzlich er es war, der am Drücker war.
»Gut. Gib mir deinen Folienpod!«
Hollander holte ein Röhrchen hervor, zog den wertvollen Folienpod heraus und erklärte Sid, wie er ihn verwenden konnte. Sid merkte sich alle Befehle, steckte ihn ein und joggte davon.
Nach zwanzig Metern sprang er seitwärts in die Büsche und umrundete das Gebäude im Schutz der Dunkelheit. Dann blieb er stehen, kämpfte noch ein paar Herzschläge gegen sich selbst – und teleportierte.
Sie saßen im großen Auditorium des Mussabajew-Zentrums. Alle Kadetten hatten darin Platz gefunden – nicht zuletzt deshalb, weil von den ursprünglich 480 Anwärtern nur 322 die ersten vier Wochen überstanden hatten.
Oberst Kowaltschuk blickte bei seiner Ansprache auf die erste Ausbildungsphase zurück und pickte dabei einzelne markante Ereignisse und Bestmarken heraus.
Von Sids Freundeskreis wurde einzig Juri erwähnt, der bei den Belastungstests in der Zentrifuge zuletzt bessere Werte erzielt hatte als ausgebildete Raumfahrer nach jahrelangem Training.
Sid gönnte seinem Freund den Erfolg, wenngleich es ihn wurmte, dass er selbst in keiner einzigen Disziplin eine Bestmarke erzielt hatte. Aber die Konkurrenz war stark – das wurde ihm nun wieder bewusst, während er die Kadetten betrachtete, die aus aller Welt nach Baikonur gekommen waren.
Ich habe es von den Straßen von Managua hierher geschafft und gehöre zu den besten zehn Prozent der Ausbildungseinheit, versuchte er sich zu trösten. Das ist auch ein Erfolg.
»Ich gratuliere euch, dass ihr die ersten fünf Wochen erfolgreich hinter euch gebracht habt«, sagte Kowaltschuk, dessen Bild hinter ihm an der Leinwand in mehrfacher Vergrößerung gezeigt wurde. »Zur Feier des Tages darf ich euch verraten, dass übermorgen eine ganz besondere Überraschung auf euch wartet. Wie sie aussehen wird, dazu sage ich jetzt noch nichts. Außer vielleicht dies: Wir werden einen kleinen, gestaffelten Ausflug machen – und das Ziel ist mehrere Zehntausend Kilometer von Baikonur entfernt!«
Nach kurzem Zögern brach unter den Kadetten Jubel aus. Einige begannen zu klatschen, und der Rest fiel darin ein.
Mit einem zufriedenen Lächeln blickte der Oberst in die Runde.
Sid spürte, wie sich ein warmes Gefühl im Bauch ausbreitete. Wenn Kowaltschuk von mehreren Zehntausend Kilometern sprach, befand sich das Ziel oberhalb der mittleren Orbitalhöhe, auf der die meisten Kommunikations- und Navigationssatelliten ihre Bahnen zogen.
Als das Klatschen und Jubeln langsam verebbte, sagte Kowaltschuk: »Aber noch ist es nicht so weit. Nun erwartet uns ein Vortrag, dem ich mit großer Freude und Spannung entgegengeblickt habe. Major Rinkhel wird uns in die ferronischen Erkenntnisse über die psychologischen Anforderungen im Weltraum einführen. Bitte, Major!«
Ein warmer Applaus begleitete den Oberst, der zurück an seinen Platz in der ersten Reihe ging. Gleichzeitig erhob sich Rinkhel und ging zum Rednerpult.
Maurice S. Hollander drehte den Kopf in Sids Richtung und blinzelte ihm zu.
Sofort verklumpte sich sein Magen. Während der feierlichen Ansprache hatte er keine Sekunde lang an den Streich gedacht, den sie in der vorhergehenden Nacht vorbereitet hatten.
Sids Atmen verstärkte sich, das Herz raste. Mit plötzlicher Klarheit wurde ihm bewusst, wie dumm und kindisch der Streich war.
Nach Kowaltschuks Worten und dem Hinweis auf die wartende Überraschung hatte sich die Stimmung im Auditorium geradezu magisch angefühlt.
In wenigen Augenblicken würde sie zerstört werden. Dank ihm, Sid González. Weil er nicht stark genug gewesen war und Hollander eine Abfuhr erteilt hatte.
Wrinkle legte die Hände auf das Rednerpult und begrüßte die Anwesenden.
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