PR NEO 0042 – Welt aus Seide
nur seine Tür erreichte: Die Lungen der Arachnoiden kamen mit höherer Schwerkraft als dem knappen halben Gravo ihrer Heimatwelt nicht zurecht.
Manchmal bedauerte es Quetain Oktor, nicht in der Orbitalstation des Lifts zu wohnen, wo er unter Arkoniden wäre. Allerdings nahm er an, dass die ständige Gesellschaft des Militärs recht ermüdend wäre – ganz davon abgesehen, dass viele der konservativeren Offiziere ihn als Halbarkoniden nicht für voll nahmen. Hier unten hatte er wenigstens eine Handvoll ziviler Beschäftigter, selbst wenn diese ihre Zeit vor allem mit Fiktivspielen zubrachten. Außerdem waren seine Vorgesetzten einmal der Meinung gewesen, dass eine gewisse Nähe zu seinen Schutzbefohlenen förderlich für seine Arbeit wäre.
Hauptsache, sie brauchten sich nicht mit den Trebolanern abzugeben, überlegte Oktor und nippte wieder an seinem Brandy.
Oder mit ihm – dem Mischling.
»... und ebenfalls ohne Ergebnis«, sagte Kaprisi.
»Hm?« Der Fürsorger drehte sich um. Er hatte den Eindruck, dass sie gerade mit einer längeren Ausführung fertig geworden war, und fast kam es ihm vor, als blickte sie ihn tadelnd an, auch wenn ihr starres Gesicht zu keiner Mimik fähig war.
»Ich sagte ... Soll ich alles wiederholen oder nur das Wichtigste?«
»Nur das Wichtigste«, bat Quetain Oktor.
»Die Vermessung war ohne Ergebnis.«
»Oh.« Das war ärgerlich, denn Kaprisis heimliche Scans waren der eigentliche Grund ihrer Audienz beim Erzfürsten gewesen. Fragen der Seidenfertigung interessierten ihn etwa so brennend wie das immergleiche Wetter der Hauptstadt, und es irritierte ihn fast, dass die Trebolaner ihre Seide für derart wichtig hielten, dass sie den Vorwand seines Besuchs für bare Münze genommen hatten. »Das heißt, die ganze Mühe war vergebens?«
»Es sieht leider so aus.«
»Infrarot? Ultraschall? Manchmal sind die einfachsten ...«
»Soll ich alles wiederholen?«, fragte Kaprisi abermals, und diesmal schien ein lauernder Unterton ihre Worte zu begleiten.
Quetain Oktor seufzte. »Nein, schon gut. Ich glaube dir, dass du an alles gedacht hast.«
Sie nickte knapp. »Die wahrscheinlichste Erklärung für den Misserfolg meiner Messung legt auch das Scheitern aller nachträglichen Auswertungsversuche nahe.«
»Und die wahrscheinlichste Erklärung war ... bitte wiederhole doch diesen Teil noch einmal, Kaprisi.«
»Tarnseide«, erwiderte Kaprisi ungerührt.
»Richtig. Tarnseide.« Trebolanische Tarnseide war sicher die vergleichsweise interessanteste und ärgerlichste Errungenschaft dieser hinterwäldlerischen Welt. Sie schützte ein Objekt vor so ziemlich allen Tasterverfahren. Elektromagnetische Strahlung, zumindest der gängigen Spektren, durchdrang sie nicht. Sichtbares Licht wurde reflektiert, weswegen sie als weiß erschien. Funkwellen, Röntgenstrahlung und sogar fünfdimensionale Impulse, soweit er und Kaprisi das im Rahmen ihrer Möglichkeiten erforscht hatten, wurden einfach verschluckt. Das Imperium war tatsächlich einmal sehr interessiert an diesem Material gewesen – allerdings hatte man schnell herausgefunden, dass man die Trebolaner nicht dazu zwingen konnte, es herzustellen. Noch Oktors Vorgänger hatte verschiedene Techniken der Informationsgewinnung ausprobiert – und wenn die Trebolaner wüssten, was mit den Versuchsobjekten damals wirklich passiert war, wäre der Fürsorger heute wahrscheinlich nicht hier.
Zum Glück war die Herstellung von Tarnseide auch für die Trebolaner selbst sehr schwierig, sodass sie es nicht in großer Menge produzieren konnten. Sonst hätten sie hier womöglich mit einem ernsten Problem zu kämpfen – so wie auf Khebur.
»Es ist mir gar keine Tarnseide aufgefallen bei der Audienz.«
Kaprisi wartete lange genug mit einer Antwort, dass ihm die Ironie seiner Aussage von selbst aufging. Dennoch ließ sie es sich nicht nehmen, ihn auf seinen Fehler hinzuweisen. »Die Brust des Erzfürsten war voll davon.«
»Wer hätte es gedacht?«
»Sie war über das Zepter gespannt.«
»Wie praktisch für ihn.«
»Nicht wahr?«
Quetain schüttelte irritiert den Kopf. »Und was machen wir nun?«
Das Zepter Vidaarms – das geheimnisvolle Ei auf der Brust des Erzfürsten – war das Einzige gewesen, über das er wirklich gerne etwas erfahren hätte. Das sagenumwobene Artefakt, das Vidaarm angeblich vor achthundert Jahren von seiner Expedition nach Khebur mitgebracht hatte. Das Geschenk der Goldenen – jener geheimnisvollen Fremden, denen Vidaarm der
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