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PR NEO 0042 – Welt aus Seide

PR NEO 0042 – Welt aus Seide

Titel: PR NEO 0042 – Welt aus Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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ihn auf das Wunder vorbereiten können, das ihm noch bevorstand.
    Das Universum ging manchmal seltsame Wege. Und vielleicht sollte er sie nicht hinterfragen.
    Er hatte ein kurzes Stoßgebet an Vidaarm gesprochen.
    Und sein Gebet war erhört worden.
    Der Erste in der Gruppe von Reisenden, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte, war ein typischer Arkonide, weißseiden wie die meisten von ihnen. Aufgrund des gegenwärtigen Fürsorgers, der so anders aussah als die übrigen Arkoniden, hatte Je-Ron-Tia immer angenommen, dass Weiß das Merkmal der Untergebenen war und Schwarz die Farbe der Anführer. Bei diesen Fremden schien der Fall aber anders zu liegen: Die schwarzseidene Zweibeinerin der Gruppe drängte sich Schutz suchend an ihren größeren Begleiter, und das von Kopf bis Fuß von schwarzem Pelz bedeckte Wesen mit dem auffälligen Steißfortsatz, das auf allen vieren hinter ihnen herlief, musste wohl eine Art Bediensteter sein, auch wenn es sich so tollpatschig anstellte, als bräuchte es selbst dringend Hilfe.
    Nichts aber unterstrich den Führungsanspruch des Weißseidenen deutlicher als das Objekt, das er um den Hals trug:
    Es war das Zepter Vidaarms.
    Je-Ron-Tias Greifhand umklammerte das Artefakt der Goldenen in seiner Tasche ... und erstarrte.
    Das Artefakt summte. Ganz sachte nur – fast unmerklich. Ein schwaches Zittern, das aus seinem Inneren drang. Hatte er es etwa aktiviert? Nach all den fruchtlosen Versuchen versehentlich einen versteckten Schalter betätigt? Oder war es die ganze Zeit schon wieder aktiv, und er nur so mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass er es nicht gemerkt hatte?
    Es war einerlei – das Artefakt, weswegen er von seiner Position entbunden worden war und das ein zweites Mal zu aktivieren er ohne fremde Hilfe nie für möglich gehalten hätte, war wieder erwacht.
    Und dort war dieser Fremde, der das Zepter Vidaarms um den Hals trug.
    Mehr als jemals zuvor spürte Je-Ron-Tia die mystische Dimension seiner Berufung. Zum ersten Mal verstand er seine Priesterkollegen, die seit Jahrzehnten ihren Dienst auf Khebur versahen und die er immer für abergläubische Gesellen gehalten hatte. Die wissenschaftliche Skepsis, auf die er noch vor wenigen Stunden so stolz gewesen wäre, fiel von ihm ab.
    Er folgte der Gruppe des Weißseidenen durch den Promenadentunnel. Es waren sieben Fremde insgesamt, zwei davon Weißseidene, die sich in auffälliger Weise aus dem Weg gingen, sodass sie Spitze und Abschluss der Gruppe bildeten. Sie bemerkten nicht, dass er ihnen folgte – ebenso wenig, wie sie bemerkten, dass er nicht der Einzige war, den der Anblick des eiförmigen Objekts am Hals ihres Anführers mit Ehrfurcht erfüllte.
    Oder wussten sie es nur zu gut und waren bloß zu stolz, es sich anmerken zu lassen?
    Dies war seine Stunde. Die Gelegenheit, auf die jeder Ursprungsforscher sein Leben lang gewartet hatte. Er musste schnell handeln, ehe die Fremden zu viel Aufsehen erregten oder wieder ihr Schiff bestiegen und davonflogen. Hier im Tunnel aber war nicht der Ort, sie anzusprechen. Was, wenn sie ihn abwiesen? Er wäre das Gespött des ganzen Netzes!
    Doch das Glück – oder Vidaarm – war ihm weiter hold.
    Die Fremden bestiegen eines der öffentlichen Shuttles, die zwischen dem Sternennetz und dem Raumhafen der Hauptstadt verkehrten. Mit ihnen reisten mehrere andere Zweibeiner und zahlreiche Trebolaner. Es fiel nicht schwer, sich einen Platz in dem Shuttle zu sichern, denn die Netzdiener brachten ihm, einem Ursprungsforscher, großen Respekt entgegen. Anscheinend war sein plötzliches Verschwinden noch nicht gemeldet worden. Bei Gelegenheit würde er sich der goldenen Kleidung, die seinen Stand verriet, besser entledigen, doch im Moment war sie für ihn noch von Vorteil.
    Während des Fluges studierte Je-Ron-Tia den Weißseidenen genauer. Seine Erfahrung mit Arkoniden hatte ihn gelehrt, dass die meisten von ihnen nicht in der Lage waren, die Blickrichtung trebolanischer Augen zweifelsfrei zu bestimmen – das hieß, sie merkten es nicht, wenn man sie anstarrte. Dennoch war Je-Ron-Tia zurückhaltend, wenn schon nicht aus Vorsicht, dann doch aus Höflichkeit – auch seinen Mitreisenden gegenüber.
    Was er sah, verwirrte ihn jedoch: Der Weißseidene stellte sich sehr ungeschickt an. Weder wusste er die Sitznetze aus Schmeichelseide zu benutzen, die den Passagieren beim Sturz auf den Planeten Sicherheit und Halt versprachen, noch reagierte er auf die Durchsagen und Warnhinweise des Personals.

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