PR NEO 0042 – Welt aus Seide
immer, wenn seine Frau eine Spinne aus der Küche vertrieb.«
Matsu rang sich ein Lächeln ab. »An ihm ist ein Dichter verloren gegangen.«
Rhodan grinste. »Daddy Longlegs hießen sie bei uns.«
»Sei froh, dass sie keine Haare haben«, fügte Goratschin hinzu, und Matsu gab ihm einen Knuff.
»Es war gut, mich damit zu konfrontieren«, sagte sie zu Crest. »Sonst hätte ich mich nur in mein Hotelzimmer verkrochen und das alles nicht gesehen.«
Crest nickte und ging die letzten Schritte bis zur Kuppe des Hügels, die als Aussichtspunkt gestaltet worden war. Rhodan und Belinkhar folgten ihm. Dann nahmen sie den Anblick der Skyline in sich auf.
An manchen Stellen waren die Gebäude, begünstigt von der leichten Schwerkraft, steil in die Höhe gewachsen. Zwischen den Türmen spannten sich Brücken und Stränge aus Seide, meistens weiß, manchmal in verschiedenen Pastelltönen, sodass die ganze Stadt im Sonnenlicht glitzerte wie ein diffuses, taufeuchtes Netz. Außer in der Nähe des Raumhafens gab es nicht viele Fahrzeuge und nur wenige Gleiter. Die Stadt war eindeutig für Fußgänger konzipiert – und zwar solche, die mehr als ein einziges Paar Füße besaßen und sie in mehr als nur zwei Dimensionen zu benutzen wussten.
Von ihrer erhöhten Warte konnten sie deutlich die beiden größten Gebäude erkennen, die das Stadtbild dominierten wie die gegnerischen Könige in einem Schachspiel: zur einen Seite ein großer, bläulich funkelnder Palast mit Dutzenden graziler Türme, zur anderen, hinter dem Raumhafen, der massige, vergleichsweise schlichte Turm, der die Bodenstation des Weltraumlifts bildete, den sie vom Shuttle aus gesehen hatten. Rhodan kam nicht umhin, an den Stardust Tower zu denken, der in Terrania in den Himmel wuchs.
»Schön, nicht wahr?«, fragte Belinkhar.
»Ja«, sagte Rhodan. »Aber es stimmt einen auch nachdenklich.« Es war ihnen bereits aufgefallen, dass der Turm keinen besonders guten Ruf in der Stadt genoss. Belinkhar hatte sich auf ihrem Weg in einige Datennetze eingeklinkt, die Besuchern von anderen Welten den Aufenthalt auf Trebola erleichtern sollten. Die offiziellen Texte waren von einem plumpen Pathos geprägt, der Rhodan unwillkürlich an die Rhetorik irdischer Diktaturen erinnerte, besonders wenn sie auf den Kulturstifter ihrer Welt zu sprechen kamen, der mit zahllosen Beinamen wie der Befreier, der Vereiner oder der Gesegnete bedacht wurde. Eine ähnliche Liebe zu blumigen Namen kultivierten die Trebolaner, wenn es um ihre Straßen, Paläste und historischen Stätten ging; beispielsweise wurde der Park, in dem sie sich befanden, als Garten der achtfältigen Einigkeit bezeichnet.
Der Weltraumlift jedoch war mit einem einzigen, sehr knappen Ausdruck belegt, den Crest nach kurzem Stirnrunzeln als Verballhornung eines arkonidischen Worts erkannt hatte, das sich am ehesten als Zwingturm übertragen ließ.
»Es überrascht Sie doch nicht, dass der Stardust Tower nicht einzigartig in der Milchstraße ist, oder?«, erkundigte sich Crest mit mildem Lächeln.
»Natürlich nicht«, sagte Rhodan. »Ich dachte nur daran, dass dies auch das Schicksal der Erde hätte sein können, wenn die Geschichte einen anderen Weg gegangen wäre: eine friedliche Welt unter arkonidischer Herrschaft. Mit dem Zeichen der imperialen Macht wie einem Flaggenmast in den Boden der Hauptstadt gerammt und einer Garnison im Orbit, die darüber wacht, dass niemand über sich hinauswächst.«
»Sie haben es treffend erkannt.«
»Und die Gefahr besteht nach wie vor.«
»Nein«, sagte Crest ernst. »Wenn der Regent heute, nach allem, was geschehen ist, auf Ihre Welt aufmerksam wird, dann wird die Erde nicht so viel Glück haben wie Trebola.«
Rhodan nickte, und beim Gedanken an ihre aufgeschobene Mission packte ihn die Ungeduld. »Ihnen haben wir es zu verdanken, dass es nicht längst so weit gekommen ist. Wir können uns glücklich schätzen.«
Crest neigte den Kopf. »Keine Sorge«, sagte er. »Ihnen gehört die Zukunft.« Doch als er das sagte, ging seine Hand unwillkürlich zum Zellaktivator um seinen Hals.
»Was ist mit Ihnen?«, fragte Rhodan. »Geht es Ihnen gut?«
»Machen Sie sich auch um mich keine Sorgen, mein Freund«, sagte Crest. »Es ging mir nie besser.« Dann wies er auf ein Objekt auf der anderen Seite des Hügels, bei dem es sich um eine aufwendig gestaltete Sonnenuhr, vielleicht aber auch eine Antennenanlage handeln mochte. »Ich werde mir einmal diese Skulptur dort ansehen«, sagte er und
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