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PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise

PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise

Titel: PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
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junge Sid González die Teleportergabe ebenfalls verloren hatte. Ging es auch anderen Mutanten so? War es der natürliche Gang der Evolution? Niemand wusste, wie sich Mutantenfähigkeiten im Lauf der Jahre entwickelten, weil sie vor Kurzem zum ersten Mal aufgetreten waren. Selbst der Ara Fulkar konnte nicht auf Präzedenzfälle zurückgreifen. Es schien sich um ein Phänomen zu handeln, das ausschließlich bei den irdischen Menschen dieser Zeit vorkam. Fulkar jedenfalls kannte keine anderen Beispiele für Paragaben.
    Hatte eine unheilvolle Entwicklung ihren Anfang genommen?
    Oder überinterpretierte er es wegen seiner Angst, ihm könnte ein wichtiger Teil seiner selbst gestohlen worden sein? Litt er lediglich an einem umfassenden Erschöpfungszustand, einer Art Burn-out, der ihn nicht länger auf seine Gabe zugreifen ließ? Er fühlte sich müde und schwach. Zusätzlich machte ihm zu schaffen, dass die kleinen Schnittverletzungen trotz der Behandlung schmerzten und ständig pochten; der Verband über seiner Schulter war gerade aufs Neue durchgeblutet.
    Aber er war nicht zum ersten Mal körperlich ausgelaugt! Die letzten Monate waren mehr als anstrengend gewesen, hatten ihn ins All geführt, bis an seine Grenzen und sogar darüber hinaus.
    Trotzdem hatte er stets zu teleportieren vermocht, seit er seine Begabung entdeckt hatte; oder er hatte zumindest immer gefühlt, dass er es könnte. Gewiss, nicht unbegrenzt oft nacheinander, doch dieses Mal fühlte es sich anders an.
    Nun herrschte in seinem Verstand, an einer unbestimmbaren Stelle, eine diffuse Leere. Er war wie blind oder taub oder stumm, nur dass er noch über alle seine Sinne verfügte. Seine normalen Sinne. Ihm fehlte ein Puzzlestück in seinem Bewusstsein, das in letzter Zeit so selbstverständlich Teil seiner selbst gewesen war, dass er den Verlust einfach nicht begriff. Er sah, aber die Farben schienen weniger zu leben als zuvor. Er hörte, doch die Töne klangen dumpfer.
    Etwas war ihm geraubt worden, was mehr als nur seine Psi-Begabung beeinflusste. Seine ganze Wahrnehmung wurde in Mitleidenschaft gezogen.
    Oder war dieser Teil von ihm ... abgestorben?
    »Er schläft nur«, murmelte er vor sich hin.
    Stagges Lippen bewegten sich wie zu einer Antwort, doch es drang kein Laut darüber. Wahrscheinlich sang er lautlos ein Lied mit, das er über sein Computer-Implantat hörte. Er trug es in der Nähe des Trommelfells; ein winziger Chip, den er mit einem bewussten Nervenimpuls aktivieren und desaktivieren konnte – Übungssache, wie Stagge es nannte. So empfing er ständig Nachrichtenstreams aus allen Kontinenten.
    Eine feine Sache, einerseits – ein Abtauchen aus der realen Welt in ein unnatürliches Netz andererseits. Tschubai hatte seinen Begleiter während der letzten Tage öfter ermahnt, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Er stand solchen künstlichen Erweiterungen der menschlichen Sinne sehr skeptisch gegenüber, und das nicht nur, weil es immer wieder zu Fehlern kam, wie der aktuelle Ausfall des winzigen Translators deutlich machte, der sich irgendwo in seinem Körper in das Nervensystem eingeklinkt hatte.
    Olf Stagge hingegen schwor auf den Entwickler Julio Enriquez und seine Bewegung, die die Möglichkeiten der Menschheit mithilfe von Computer-Implantaten auf alle nur denkbaren Arten erweitern wollte. Augmentierung nannten sie es. Für Ras Tschubai waren die Erweiterungen durch die Mutantengaben gerade genug – zumal, wenn es zu Problemen kam.
    Er schaute Ailin an. Sie schlief mit entspannten Gesichtszügen. Ihre Augäpfel bewegten sich unter den Lidern; sie träumte. Der Arzt hatte das im Vorfeld angekündigt. Der speziellen Wirkungsweise des Betäubungsmittels nach sollte es nun nicht mehr lange dauern, bis die Chinesin erwachte.
    Als er darüber nachdachte, fragte sich Tschubai, wie viele Menschen in diesem Raum bereits die Wirkung dieses Mittels gespürt hatten. Und wohl auch anderer Substanzen und Methoden, über die er gar nicht erst nachdenken wollte. Der BIN als Organisation hatte sich bis vor Kurzem nur schwer mit Menschenrechten in Einklang bringen lassen. Was mochte vor fünf Jahren genau hier geschehen sein, vor einem Jahr oder sogar noch vor einigen Monaten?
    Die Welt war im Wandel. Sensible Menschen und solche, die die Augen offen hielten, spürten es überall. In diesem Raum roch Tschubai es förmlich. Vieles, was einst war, ging nun verloren, und vielleicht war es gut, wenn niemand sich mehr erinnerte.
    Oder doch? Musste

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