PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise
Er bezeichnet damit den Beginn einer neuen Schöpfung. Einer neuen Art Mensch.
Aber nicht nur das. Genesis sei eine Krankheit, sagt er. Eine Krise. Bin ich also zu dem geworden, der ich jetzt bin, weil ich an einer Krankheit leide? So erklärte es Fulkar zumindest in seiner Botschaft an uns.
Wie sehr er sich irrt! Weil er nicht zur neuen Schöpfung gehört. Weil er kein Auserwählter ist!
Er ist schwach und kein Teil der Zukunft, die auf uns wartet! Ich kann sie fühlen, rieche sie, schmecke sie schon im Vorfeld, so wie Regen, der bald auf trockenes Land fallen wird.
Genesis: Ich bin. Und ich werde sein.
Niemand kann mich daran hindern.
Ich bin ein Teil von alldem.
Mein Name ist Olf Stagge.
6.
Isolation
Am Rande des Lakeside-Instituts
12. Mai 2037, 5.17 Uhr Ortszeit
Die Evakuierung aller Nichtmutanten lief. Allan D. Mercant sah zu, und es beruhigte ihn, dass er Iga Tulodzieky an seiner Seite wusste. Sie bot ihm einen Rückhalt, den er nicht missen mochte, verlieh ihm auf einer Ebene Halt, die er selbst nicht verstand.
In der Mitte des Institutsgeländes stand ein dreistöckiges Gebäude im Neo-Art-déco-Stil, das die Lakesider nur den Tempel nannten. Die Gegend rundum wirkte wie ein Park, in dem sich Dutzende kleinere Häuser verteilten. Eines davon zeigte sich aktuell völlig unberührt von den Menschenschwärmen. Darin wohnten die momentan 64 Mutanten – das Herzstück des Instituts. Um sie drehte sich alles – und noch blieben sie friedlich.
Genauer gesagt sah Mercant nur theoretisch zu. In der Praxis führte er ein Gespräch nach dem anderen, während er mit Iga auf dem arkonidischen Schweber saß, einem Stück seltener Hightech von einem der von den Menschen erbeuteten Schiffe. Er parkte wenige Meter jenseits der Stelle, an der sich in Kürze der Schirm aufbauen sollte. Die Funkverbindung zum Projektor stand, Mercant musste nur noch den Befehlskode senden.
Es war die kompliziertere Lösung, das Personal des Forschungsinstituts vor der Quarantäne zu isolieren. Alles andere hätte Mercant allerdings nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können. Für die Nichtmutanten konnte es unabsehbare Folgen nach sich ziehen, gemeinsam mit den Erkrankten eingeschlossen zu sein. Die schlimmste Befürchtung war, dass die Mutanten Amok liefen und dass den Isolierten dann keine Möglichkeit zur Flucht blieb. Undenkbar! Dass sich dank dieser Entscheidung die Erfolgschancen der Operation rapide verschlechterten, nahm er deshalb in Kauf. Dennoch wusste er, dass er vielleicht den Befehl zum Aufbau des Schutzschirms geben musste, ehe sich alle potenziellen Opfer in Sicherheit befanden.
Soeben beendete Mercant ein via Pod geführtes Gespräch mit Bai Jun, Terranias Bürgermeister. Bai Jun hatte keine Sekunde gezögert und war inzwischen in Lakeside unterwegs, um vor Ort die einzelnen Abteilungsleiter zu informieren. Wenn es nach Plan lief, würde er einer der Letzten sein, die das Gelände verließen.
»Es ist ein Wunder, dass dieser ganze Trubel bislang von den Mutanten noch nicht bemerkt worden ist«, sagte Iga nüchtern.
Mercant wandte den Blick zu ihr. Hinter ihr erstreckte sich der Goshun-See, dahinter wiederum wuchs aus dem Stadtgebiet von Terrania der hell erleuchtete Stardust Tower über zwei Kilometer hoch in den Himmel. Am Seil, das das Wahrzeichen der Stadt mit der ehemaligen Venus-Zuflucht im Orbit verband, stiegen fortwährend im Abstand von Minuten glitzernde Kabinen auf und ab. Kein Lufthauch regte sich. Die Wasseroberfläche des Sees lag völlig ruhig und glatt. Zuletzt hatte der Schweber sie aufgewühlt, als er in geringer Höhe darüber hinwegflog.
»Ein Wunder?«, fragte Mercant. »Findest du?«
»Zumindest wundere ich mich«, antwortete sie. Er war wie vor den Kopf gestoßen, bis er das Grinsen auf ihrem Gesicht entdeckte.
»Okay, ein müder Scherz«, meinte sie.
Immerhin brachte es Allan dazu, zurückzugrinsen; die erste kleine Ablenkung seit dem Gespräch mit Dr. Haggard. Es kam ihm vor, als läge es eine halbe Ewigkeit zurück. Die Uhr belehrte ihn eines Besseren. Alles lief rasend schnell. Ein Segen der guten Vorbereitung. Dennoch ging es ihm zu langsam voran.
Wenn er nur etwas Aktiveres tun könnte!
Er riss sich von Igas Anblick los, schaute zurück auf das Gelände des Instituts. Exodus hatte er diesen Teil des Notfallplans im Vorfeld getauft. Und genauso sah das Bild aus, das sich ihm bot: wie das Klischee eines Auszugs einer großen Menschenmenge aus einer Stadt, das in
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