PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise
entfesselt hatte. Egal. Er musste teleportieren, nur das zählte. Einfach erneut springen, sich in Sicherheit bringen und Stagge ebenso.
Das wusste er.
Aber es ging nicht.
Seine Gabe war wie blockiert.
Ein Schmerz flammte mitten in seinem Gehirn auf wie ein feuriger Pfeil.
Stagge starrte ihn an und berührte ihn: Der für die gemeinsame Teleportation nötige Körperkontakt war hergestellt. Doch Ras Tschubai gelang es nicht. Der erste Splitter senste ihm ein Büschel Haare ab und schnitt ein klein wenig in seine Haut. Fast sanft.
»Ras!«, schrie der Norweger ihn an.
Zuvor waren sie in Afrika gewesen, auf der Suche nach einem Telepathen oder nach dem Gott, der in alle Köpfe sah, wie es in weitem Umfeld die Runde machte. In dieser Gegend gab es keine Technologie, keine gemauerten Häuser, keine Gleiter und keine glanzvolle Erwartung der Menschen, im All Erfüllung und Zukunft zu finden. Hier war ein Stück Vergangenheit konserviert worden. Allzu leicht geschah es, dass ein Schamane loszog und den angeblichen Gott rituell auf einem Scheiterhaufen verbrannte. Nur dass der Gott, den die beiden Mutanten schließlich entdeckten, alles andere als das war.
Sie fanden zu ihrer Überraschung einen gerade mal dreijährigen Jungen vor, der im Staub spielte, während seine Mutter neben ihm eine ausgemergelte Ziege ausweidete, um die Familie für die nächsten Tage zu versorgen. Und Tschubai wusste nicht nur, dass das Kind in seinem Kopf las – der Junge projizierte seine Gedanken mitten in sein Bewusstsein: »Sagt es keinem! Ich habe Angst.« Die beiden Mutanten schauten sich wortlos an, und Tschubai war klar, dass sein Begleiter es ebenfalls gehört hatte. Sie gingen weiter; es war nichts als eine flüchtige Begegnung gewesen, keine Minute lang. In ihrem offiziellen Bericht an Allan Mercant stand schließlich etwas von einer falschen Spur.
Die Lüge drückte nicht einmal auf ihr Gewissen. Vielleicht würden sie in zehn Jahren in die abgelegene Siedlung zurückkehren und nach dem Jungen suchen. Vielleicht.
So hatten sie es damals besprochen.
Aber sie würden ganz sicher nicht mehr zurückkehren.
Denn die Scherben waren da, und sie schnitten.
Die zweite Stimme:
Kein Gott
Irgendwann, während des Infernos:
Ich habe ihm gesagt, dass die Welt untergeht, und er lacht auf der Pritsche in seiner Zelle. Ich möchte ihn anschreien, seinen fetten Körper packen und ihn durchschütteln, ihm vielleicht ins Gesicht schlagen.
Solchen Zorn, wie er nun in mir hochkocht, kenne ich sonst nicht. Es ist schwer, ihn zu kontrollieren. Was soll ich tun? Etwa Monk erklären, dass ich eine Heilerin gewesen bin, früher, und dass ich jetzt ... dass ich ...
»Ich bin kein Gott«, hatte ich zu Sid gesagt, dort draußen, als alles begann und er mich immer noch fassungslos anstarrte über der Leiche unseres Freundes.
Und das stimmt.
Ich bin kein Gott.
Mein Name ist Sue Mirafiore.
2.
Genesis: Der Anfang
Terrania, 12. Mai 2037, 3.17 Uhr Ortszeit
Allan D. Mercant schlief schlecht. Und das schon lange, genauer gesagt, seit er sich vor fünf Stunden ins Bett gelegt hatte. Oder bereits seit Wochen, je nachdem, wie man es betrachtete. Er war nicht gesund, darauf schob er es; dass ihn darüber hinaus eine unbestimmbare innere Unruhe plagte, machte die Lage nicht gerade besser.
Im Dunkeln tastete er nach der Packung auf seinem Nachttisch und wurde rasch fündig. Er pulte eine Tablette heraus, nahm sie in den Mund und würgte sie trocken hinunter. Für einen Moment schien sie am Gaumen zu kleben, und auch als er sie längst geschluckt hatte, glaubte er sie noch zu spüren.
Die Kopfschmerzen raubten ihm den letzten Nerv. Mercant hatte Fulkar aufgesucht, den Ara, der sich entschieden hatte, auf der Erde zu bleiben. Fulkar entstammte einer Zivilisation, die sich seit Jahrtausenden auf die Medizin konzentrierte. Und was hatte ihm der Wunderarzt verabreicht? Einen heruntergeleierten Vortrag über Grippe- und Erschöpfungssymptome und Schonen-Sie-sich.
Krankschreiben!
Schonen!
So ein Unfug! Vielleicht später einmal, wenn er alt war. Oder wenn er Zeit für so etwas fand, also nie. Es gab zu viel zu erledigen in Terrania, beim Aufbau der neuen Gesellschaft und im Zusammenhang mit den beiden großen Themen, die ihm unablässig durch den Kopf spukten: einerseits die Sicherheit der Menschheit in einem Zeitalter, in dem eine Bedrohung aus dem All nicht mehr länger ein Hirngespinst, sondern bittere Realität war. Andererseits die
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