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PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

Titel: PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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mich, was Ricos wahres Gesicht war – das Monster oder der Held?
    Wir hatten etwa die Hälfte der schwankenden Brücke über den Canyon überquert, als die ersten Puppen aus ihrem Freudentaumel erwachten. Wo sie versuchten, uns aufzuhalten, schossen wir sie nieder. Ich war nun ziemlich sicher, dass ich sie bluten sah. Die eine oder andere, die sich uns in den Weg stellte, stießen wir im Kampf in die Schlucht. Hinter uns wurden noch immer Feuerwerkskörper abgeschossen. Kurz darauf konnte ich wieder das Surren der Fluggeräte hören.
    Wir erreichten den Transmitter. Während ich uns den Rücken freihielt, nahm Rico den Apparat aus seiner Tasche und setzte ihn auf die Säule des Transmitters, deren widerspenstige Konsole zuvor ihre Spielchen mit ihm getrieben hatte. Der Transmitter aktivierte sich, und mit einem krachenden Schlag sprangen die gleißenden Energiefinger in die Höhe und vereinigten sich. Dazwischen entstand das wabernde schwarze Feld, durch das wir zuvor schon getreten waren. Das Konstrukt aus Ricos abgetrennten Fingern begann zu glühen wie ein heißlaufender Generator.
    »Du zuerst!«, rief Rico, und mit einer letzten Salve Richtung der nahenden Rotormaschinen sprang ich abermals ins Nichts.

17.
    Ihin da Achran
     
    Die Schleusenkammer war ein einziges Lager. Wahrscheinlich hatte sie ursprünglich als Zugang zu einer weiteren Rettungskapsel für das Personal der Zentrale gedient. Die Kapsel war nicht mehr da; dafür schwebten Kissen, Decken, Nahrungsrationen und gefrorene Wasserflaschen in der Luft. Eine Klappe in der Wand führte in einen engen Lüftungsschacht.
    Der Überlebende hatte sich in eine Ecke gekauert. Es war ein Missk. Mit zweien seiner sechs Hände hatte er eine Taschenlampe umklammert, mit den anderen hielt er sich an der eiskalten Wand fest. Sein Atem ging stoßweise. Er wirkte völlig verängstigt und entkräftet, und seine Kleidung war schmutzverschmiert. Wahrscheinlich hatte er sich aus Furcht vor den Eindringlingen durch die Lüftungsschächte gezwängt – oder er war von vornherein als blinder Passagier gereist.
    Angewidert verzog Ihin da Achran das Gesicht. Sie kannte die schlaksigen, bleichen Retortenwesen zur Genüge; sie waren vor langer Zeit für den Bergbau gezüchtet worden und bildeten mittlerweile eine Art Kaste von Bettlern und Kriminellen im Untergrund von Artekh-17. In ihrer extrem kurzen Lebenszeit schafften es die wenigsten, sich aus dem Sumpf, in dem sie geboren wurden, zu erheben. Dieser Missk hatte es offenbar geschafft.
    »Was ist hier geschehen?«, fragte sie und ließ die Waffe sinken. »Kannst du mich verstehen?«
    Die großen, leuchtenden Augen des Missk zuckten unruhig hin und her. Sie bedeutete ihren Männern, etwas Abstand zu halten, und widerstrebend zogen sich alle bis auf den Lotsen und sie aus der Kammer zurück.
    Der Missk schien zu begreifen, dass ihm keine unmittelbare Gefahr drohte, und versuchte, etwas zu sagen. Doch wenn Ihin da Achran geglaubt hatte, jetzt eine Antwort auf ihre Fragen zu bekommen, hatte sie sich getäuscht: Als er den Mund öffnete, kam nur ein unverständliches Kauderwelsch heraus.
    »Das darf doch nicht wahr sein!«, stöhnte die Rudergängerin. »Da finden wir einen Überlebenden dieser Katastrophe, und er kann uns nicht mitteilen, was er gesehen hat!«
    Sie stieß sich ab und schwebte auf ihn zu. Blitzschnell zuckte der Missk in Richtung des Lüftungsschachts.
    Da rief der Lotse ein paar Worte, und der Missk erstarrte. Sämtliche Lampen waren nun auf ihn gerichtet. Der Lotse klappte seinen Helm auf und reichte dem geschwächten Wesen frisches Wasser aus seinen Rationen, das der Missk erst zögerlich, dann gierig trank. Danach griff er sich eine der schwebenden Decken aus der Luft und legte sie ihm um die zitternden Schultern.
    Binnen eines Herzschlags wich der Ausdruck der Angst auf dem schmalen Gesicht einer entwaffnenden Dankbarkeit, und sie unterhielten sich. Der Kleine fasste Vertrauen zu der Krähe, und aus irgendeinem Grund störte das Ihin da Achran. Sie hatte die penetrant hohe Stimme dieser Wesen immer verabscheut. Irgendwann sollte ihr Translator das übersetzen können.
    »Er spricht Askiadhi«, erklärte der Lotse. Sein Atem gefror in der kalten Luft. »Eine alte Mysteriensprache der She'Nerkh.«
    »Wie kann das sein? So kurzlebig, wie sie sind, muss er doch im Artekh-System an Bord gekommen sein.«
    Er zuckte die Achseln. »Missk lernen sehr schnell. Vielleicht lebt er aber auch schon länger bei den

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