Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

Titel: PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
Vom Netzwerk:
eines Wachtpostens, eine Bewegung auf einem der schiefen Türme. Wo steckten die Puppen? Wenn sie alle beim Transmitter an der Schlucht auf uns warteten, hatten wir ein Problem.
    Rico lotste mich sicher durchs Dorf. Erst am Ende des kleinen Tals, kaum zweihundert Meter von der Schlucht entfernt, wurde er von einer anderen Puppe angesprochen, die dort mit ihrem Gewehr Patrouille lief. Ich ging im Schatten einer Felswand in Deckung und schlich mich Schritt für Schritt in ihren Rücken.
    »Was tust du hier?«, fragte die Wache. »Du solltest doch im Dorf bei den Gefangenen bleiben!« Ricos Verwandlungskünste überzeugten selbst die Puppen.
    »Ich will dabei sein, wenn Callibso eintrifft«, sagte er. »Ist es denn nicht bald so weit?«
    »Sehr bald sogar!«, tadelte ihn die Puppe. »Aber wir wissen noch nicht, welchen Weg er wählen wird, und ein paar von uns müssen doch die Gefangenen bewachen. Er wird sie sehen wollen.«
    »Da!«, rief Rico und wandte überrascht den Kopf. Die Puppe fiel auf die alte Ablenkung herein, und ich trat hinter sie und zog ihr den Knüppel über den Schädel. Es klang wie ein Kricketschläger, wenn er die Holzkugel traf. Rico erledigte den Rest.
    Wir schafften die Wache in den Schatten, und ich nahm ihr fremdartiges Gewehr an mich. Es war mir etwas zu klein und mit merkwürdigen Projektilen geladen, die aussahen, als wären sie aus den türkisblauen Kristallen gefertigt, die in der Nähe der Schlucht aus dem Fels wuchsen. Dann schlichen wir weiter.
    »Das ist schlecht«, sagte Rico, als wir den Rand der Schlucht erreichten.
    Ich musste ihm beipflichten. Es war genau, wie ich befürchtet hatte: Auf beiden Seiten des Canyons herrschte dichtes Gedränge. Sicher hundert, wenn nicht zweihundert Puppen hatten sich auf den Vorsprüngen verteilt, den Blick ungeduldig, ehrfürchtig zum Transmitter gerichtet. Die Hängebrücke dazwischen war mit Lampions geschmückt, und ich sah einige Batterien primitiver Feuerwerkskörper bereitstehen.
    »Es sind zu viele«, sagte ich. »Was jetzt?«
    »Es gibt vielleicht noch eine andere Möglichkeit«, murmelte er, doch ich merkte, dass sie ihm nicht schmeckte. »Der Zeitbrunnen in den Hügeln auf der anderen Seite des Dorfs.«
    Der Begriff sagte mir nichts. »Ist das der andere Weg, den die Puppe meinte?«
    »Wahrscheinlich schon.« Er packte sein Gewehr. »Ich hätte ihn lieber vermieden, und wer weiß, wie es dort aussieht. Allerdings bleibt uns wohl keine Wahl. Also los!«
    Wir waren noch nicht weit gekommen, da brach hinter uns auf einmal Unruhe aus. Man hatte uns entdeckt! Wir gaben unsere Deckung auf und rannten, so schnell wir konnten, doch die Puppen waren behände wie Böcklein, sprangen über die Felsen und versuchten uns einzukreisen. Ich gab im Laufen mehrere Schüsse aus meinem Gewehr ab, erst zur Warnung, dann, als sie sich nicht davon beirren ließen, gezielt. Die schimmernden Bolzen trafen die Puppenkörper, zerbrachen und bohrten sich mit vielen kleinen Scherben in sie hinein. Es war eine krude, aber effektive Waffe. Auch Rico nahm die Puppen ins Visier, doch die Übermacht war erdrückend.
    Da stieg auf der anderen Seite des Dorfs eine Rakete in die Luft und zerplatzte in einem farbenprächtigen Funkenregen vor dem größten der Monde. Ein Ausruf aus tausend kleinen Mündern wanderte durch das Tal: »Callibso!«
    Der Herr der Puppen war eingetroffen.
    Im selben Moment vollzog sich eine unheimliche Wandlung mit unseren Angreifern. Sie warfen die letzten Reste ihres künstlichen, hölzernen Aussehens ab und gaben sich ganz dem Taumel ihrer neuen, fleischlichen Existenz hin. Ihre Glieder begannen ekstatisch zu zucken, viele verloren das Gleichgewicht und wanden sich, von Freudenschreien begleitet, wie Besessene auf dem Boden. Es war die beste Ablenkung, die wir uns in diesem Moment hätten wünschen können.
    »Schnell!«, rief Rico, der den gleichen Gedanken gehabt haben musste. Wenn Callibso Derogwanien über den Zeitbrunnen betreten hatte, war der Weg über den Transmitter jetzt frei, und alle Puppen, die uns nicht gerade verfolgt hatten, würden, sobald sie wieder zu Sinnen kamen, in die andere Richtung strömen.
    Wir rannten zurück zur Brücke. Noch im Rennen begann Rico wieder zu wachsen, platzte aus seiner Kleidung und wirkte damit wie einer jener unter Menschen so beliebten Superhelden, wenn er sich nach seiner Verwandlung in ein muskelstrotzendes Monstrum halb nackt in den Fetzen seiner Hosen und seines Hemds wiederfand. Ich fragte

Weitere Kostenlose Bücher