PR Odyssee 06 - Die Lebensboten
dauert es etwa 10 65 Jahre, bis auch das härteste Material seine Gestalt verändert hat. Selbst kunstvoll geschliffene Diamanten werden zu Perlen.
Außerdem können sich die Atome nach und nach so nahe kommen, dass sie miteinander verschmelzen. Diese kalte Kernfusion dauert atemberaubend lange. Aber nach vielleicht 10 1500 Jahren hat sich, so schätzt Dyson, die gesamte Materie in die stabilsten aller Atomkerne verwandelt: in Eisen.
Doch nicht einmal diese Eisenkugeln sind für die Ewigkeit. In 10 10 * 26 Jahren (also 10 100.000.000.000.000.000.000.000.000 ) kollabieren sie zu Schwarzen Löchern, die sich dann wiederum in Hawking-Strahlung auflösen. Jetzt haben freilich sogar die Zahlen astronomische Ausmaße erreicht. Ausgedruckt mit ein Millimeter großen Nullen wäre 10 10 * 26 nämlich 10 Millionen Lichtjahre lang. Würde diese eine Zahl als Fortsetzungsserie in PERRY RHODAN erscheinen (eine ziemlich langweilige Lektüre wären diese Nullen freilich schon.), reichte der Heftstapel gut 750 Lichtjahre ins All - also fast bis zum Stern Rigel im Orion.
Auch wenn manche Details des kosmischen Dramas noch spekulativ sind, steht doch eines fest: Die Zukunft wird düster. Paul Davies macht niemandem falsche Hoffnungen: »Mit quälender Unausweichlichkeit wird die ewige Nacht allmählich hereinbrechen.«
Früher oder später ist ein fortwährend expandierendes Universum eine verlassene, bitterkalte und stockfinstere Arena, in der fast nichts mehr geschieht. Die verbliebenen Elektronen, Positronen und Neutrinos haben alsbald Entfernungen voneinander, die weit größer sind als der Durchmesser des heute beobachtbaren Weltalls. Doch so langweilig und schwarz uns die Zukunft des Kosmos vielleicht auch erscheinen mag, die Zeit wird nicht stehen bleiben.
»Der Begriff der Zeit verliert einen Teil seiner Bedeutung, wenn man ihn auf diese fernen Stadien des Universums anwendet«, sagt Jamal Islam aber. »Die einzige Art und Weise, in der sich die Zeit dann noch zeigt, wird vielleicht in der abnehmenden Dichte und Temperatur der kosmischen Hintergrundstrahlung bestehen, die sich dem absoluten Nullpunkt nähert, minus 273,15 Grad Celsius, ihn aber niemals ganz erreichen kann.«
»Abgesehen von dem ursprünglichen Glanz des Urknalls und einer darauffolgenden galaktischen Ära, die wenige zehn Milliarden Jahre andauert, ist das Universum ein ewig dauerndes Wimmern dunkler Verzweiflung«, meint der Kosmologe Edward R. Harrison von der University of Massachusetts in Amherst. Dieses Wimmern wird immer leiser, aber niemals enden.
Für Freeman Dyson, der wohl weiter in die Physik des Schicksals vorgedrungen ist als jeder andere Mensch vor ihm, ist diese Aussicht jedoch kein Anlass für Sentimentalitäten. »Die Gesetze der Physik sagen keine letzte Stille voraus, sondern zeigen uns, dass weiterhin etwas geschehen wird, dass physikalische Vorgänge nicht aufhören, so weit wir auch immer in die
Zukunft denken.«
Doch auch damit ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Im Gegenteil: Dank neuer Beobachtungsdaten fängt die Wissenschaft vom Ende der Welt jetzt erst richtig an.
Standardbomben im All
Um die kosmische Zukunft zu erfahren, muss man dabei weit in den Raum hinausspähen -aufgrund der Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit ist dies zugleich ein Blick in die ferne Vergangenheit. Dies ist dank der hochgezüchteten Teleskoptechnik inzwischen möglich geworden. Und so hatten sich die kosmischen Detektive schon vor mehr als einem Jahrzehnt ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sie wollten den Bremsparameter direkt und möglichst genau messen.
Die Schlüsselrolle spielen dabei Supernovae vom Typ Ia in fernen Galaxien. (Die Klassifikation bedeutet zunächst nur, dass im Gegensatz zum Typ II kein Wasserstoff, aber im Gegensatz zum Typ Ib Silizium-Absorptionen bei 615 Nanometer Wellenlänge im Spektrum identifizierbar sind.) Diese Sternexplosionen können als eine Art intergalaktische Messlatte verwendet werden, mit der sich die Veränderung der Expansionsrate im Lauf der Äonen bestimmen lässt, was wiederum Rückschlüsse über die Dichte der im Weltall vorhandenen Materie erlaubt - eine Möglichkeit, auf die schon die berühmten Astronomen Walter Baade und Fritz Zwicky 1938 hingewiesen haben. Weil die Ia-Supernovae alle ungefähr gleich hell sind, wie Gustav Tammann und Bruno Leibundgut von der Universität Basel Ende der 1980er erkannten, sprechen die Astronomen von Standardkerzen.
»Standardbomben wäre der treffendere
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