PR Odyssee 06 - Die Lebensboten
Milliarden Jahren nicht langsamer, sondern schneller geworden ist!
»Als ich das zum ersten Mal in unseren Messdaten sah, wollte es mir keiner glauben«, erinnert sich Gerson Goldhaber. »Ich konnte es zunächst selbst kaum glauben.«
Ein paar Jahre lang hielten Skeptiker das Ergebnis nicht für hieb- und stichfest, denn ein systematischer Fehler könnte die Astronomen foppen: Die bisherige Stichprobe könnte nicht repräsentativ sein. Oder vielleicht erscheinen die Supernovae lichtschwächer, als sie wirklich sind, weil eine graue, unbekannte Sorte von Staub ihr Licht verschluckt, oder weil die Masse von Vordergrundobjekten über einen Gravitationslinseneffekt ein Teil ihres Lichts ablenkt. Außerdem könnten die Supernovae früher weniger hell gewesen sein, wenn sich ihre chemische Zusammensetzung stark von näher gelegenen unterschied. Aber für keinen dieser Einwände gibt es eine gute Begründung. »Selbst wenn wir alle systematischen Fehler großzügig abschätzen und annehmen, sie würden die Messungen durch einen bösen Zufall alle in dieselbe Richtung treiben, können wir nicht ohne die beschleunigte Expansion auskommen«, sagt Peter Nugent vom LBNL. Inzwischen wurde ein Teil der skeptischen Einwände widerlegt und der andere Teil immer unwahrscheinlicher.
»Wir haben nun die Auswertung von elf neuen Supernovae abgeschlossen, die nur mit Weltraumteleskop beobachtet wurden, und es gibt keine Anzeichen von immer mehr absorbierendem Staub in ihren Heimatgalaxien mit zunehmender Entfernung«, erklärte Perl-mutters Kollege Robert A. Knop von der Vanderbilt University im Jahr 2003 auf einer Pressekonferenz am LBNL. »Das spricht gegen eine systematische Datenverfälschung durch Staub. Und die elf neuen Supernovae sind statistisch so viel wert wie die ungenaueren erdgebundenen Beobachtungen von Dutzenden Sternexplosionen.« Für Knop gibt es keinen Zweifel mehr an der beschleunigten Expansion des Weltraums. Neue, unabhängige Beobachtungsmethoden führten außerdem zum selben Schluss: Eine unbekannte, wie eine Art Antigravitation wirkende Kraft treibt das All immer schneller auseinander.
Eine glückliche Bestätigung dieser Folgerung fanden Adam Riess vom Space Telescope Science Institute in Baltimore, US-Bundesstaat Maryland, und seine Kollegen durch Zufall. Den Astronomen war es 2001 gelungen, auf Archiv-Bildern des Hubble-Weltraumteleskops die fernste bekannte Supernova aufzuspüren. 1997ff, so ihr Name, flammte in einer rund 10 Milliarden Lichtjahre entfernten elliptischen Galaxie auf. Und sie war heller als es die Stauboder Entwicklungseffekt-Hypothese erfordert. Die Helligkeit passt zur Voraussage, dass sich die Ausdehnung im frühen Universum zunächst verlangsamt hatte, weil sie von der Schwerkraft der damals dichter gepackten Materie gebremst wurde. Erst später, vor etwa sieben Milliarden Jahren, setzte sich die Antigravitation gegen die Schwerkraft durch, und die kosmische Expansionsrate nahm wieder zu. »Die Supernova 1997ff zeigt uns ein Universum, das sich wie ein Autofahrer verhält, der zunächst abbremst, wenn er sich einer roten Ampel nähert, und dann beschleunigt, wenn sie auf grün schaltet«, erklärt Riess.
Erhärtet wird dies durch sechs weitere Supernovae, die Riess und sein Team in den letzten zwei Jahren vermessen und analysiert haben. Ihr Licht war neun bis elf Milliarden Jahre zu uns unterwegs. Die Daten halfen Riess auch, den Wendepunkt des Universums zu bestimmen: »Vor fünf Milliarden Jahren begann der Antigravitationseffekt das Universum zu dominieren«, gab Riess im Sommer 2003 bekannt.
Das Echo des Urknalls
Mit den Supernovae-Messungen trat also eine neue Figur im Weltraum-Krimi auf - der große Unbekannte. Die Beschleunigung der Expansion kann nämlich nur dadurch erklärt werden, dass eine ominöse Größe mit negativem Druck heute das Universum dominiert. Michael Turner von der University of Chicago hat sie 1998 Dunkle Energie genannt.
Dass sie unser Universum dominiert, ist nicht nur das Ergebnis der Supernovae-Daten. Seit dem Jahr 2000 haben auch zahlreiche andere Indizien die Existenz der Dunklen Energie erhellt: Messungen der Kosmischen Hintergrundstrahlung, die gleichsam eine Art Echo des Urknalls darstellt.
»Die Kosmische Hintergrundstrahlung ist das älteste Leuchten im Kosmos«, sagt Wayne Hu von der University of Chicago in Illinois. »Mit ihr betrachten wir das Universum, wie es einst gewesen ist« - nämlich dichter und heißer als das Zentrum der Sonne,
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