PR Odyssee 06 - Die Lebensboten
Ergebnisse finden, die alle überzeugen können«, meint der junge gebürtige Amerikaner. »Der Zweite zu sein ist in unserem Forschungsgebiet so wichtig wie der erste Platz.« Hinter den Kulissen gab es trotzdem nicht nur einmal Streit, mindestens ein Astronom hatte sogar verärgert das Lager gewechselt.
Beide Forschungsgruppen verwenden die leistungsfähigsten Teleskope für ihre kosmische Spurensuche - Observatorien in Chile, Arizona, auf Teneriffa und Hawaii sowie das Hubble-Weltraumteleskop. Der große Aufwand ist notwendig, denn Ia-Supernovae sind sehr selten - nur etwa alle 300 Jahre ereignet sich in jeder größeren Galaxie eine. »Wenn man viele Galaxien im Visier hat, wird aber immer wieder eine auftauchen«, sagt Peter Garnavich vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics.
Deshalb werden in einer Nacht Dutzende von Schnappschüssen zur Supernovae-Suche gemacht. Jeder zeigt mehrere tausend Galaxien auf einer Fläche von ungefähr der Größe des
Vollmonds. Jede Region wird eine halbe Stunde später noch einmal fotografiert, um die störenden Effekte von Messfehlern, kosmischen Strahlen oder durchs Blickfeld gewanderten Planetoiden zu eliminieren. Drei Wochen danach nimmt das jeweilige Teleskop dieselben Himmelsregionen erneut ins Visier. Dann wird es hektisch, denn nun müssen die Bilder mit denen vor drei Wochen verglichen werden. Supernovae, die zwischenzeitlich aufgeflammt sind, machen sich als neue Lichtfleckchen bemerkbar. »In 24 Stunden müssen wird uns durch über 5 Gigabytes kämpfen. Da bleibt für Schlaf keine Zeit«, sagt Schmidt. Ohne die automatische Bildauswertung durch Computer wäre die Arbeit überhaupt nicht zu erledigen.
Erfolg versprechende Kandidaten werden daraufhin vom Hubble-Weltraumteleskop oder den 10-Meter-Keck-Teleskopen auf Hawaii ins Visier genommen. Jetzt sind Spektroskopie und Photometrie angesagt, um ihre Rotverschiebung und - über Monate hinweg - ihre Helligkeitsentwicklung zu messen. Ein Jahr nach der Entdeckung einer Supernova, wenn ihr Nachleuchten verloschen ist, müssen die Astronomen noch einmal eine Aufnahme ihrer Heimatgalaxie machen. Sie dient als Vergleichsgröße, die subtrahiert wird, um die Helligkeit der Supernova zu errechnen.
Das beschleunigte Universum
Inzwischen konnten die Wissenschaftler Daten mehrerer hundert Supernovae sammeln. Perlmutters Team ist schon dazu übergegangen, sie nach Komponisten zu benennen, um nicht die Übersicht zu verlieren. Eine, die mit einer Distanz von über acht Milliarden Lichtjahren zwei Jahre lang den Entfernungsrekord hielt, wurde beispielsweise Tomaso Albinoni getauft.
Ende 1998 hatten die Astronomen dann genügend Indizien für weitreichende Schlussfolgerungen. »Wir sind in heftiger Übereinstimmung«, scherzte Perlmutter damals mit Blick auf die Konkurrenzsituation. Denn beide Forschungsteams kamen unabhängig voneinander und mit verschiedenen Supernovae als Beweismaterial zu denselben Ergebnissen:
• Der Bremsparameter reicht nicht aus, um die Expansion des Universums zu stoppen und umzukehren. Das Universum enthält nicht genug Masse, um deshalb irgendwann in sich zusammenzustürzen.
• Das von vielen Kosmologen aus theoretischen Gründen bevorzugte >Grenzfall<-Modell ist widerlegt. Es nahm an, dass die mittlere Materiedichte des Universums so hoch ist wie die kritische Dichte an der Scheidelinie zwischen Kollaps und ewiger Ausdehnung.
• Außerdem sprechen die neuen Messungen dafür, dass der Weltraum gewissermaßen >flach< ist - also über größte Skalen weder eine positive Krümmung hat (wie die Oberfläche einer Kugel) noch eine negative (wie die Oberfläche eines Sattels). Gigantische Dreiecke haben also, wie die Euklidische Geometrie es lehrt, die jeder in der Schule lernte, eine Winkelsumme von exakt 180 Grad. Wenn der für uns beobachtbare Ausschnitt des Universums typisch ist, bedeutet das, dass der Weltraum unendlich groß ist -und nicht nur grenzenlos, aber räumlich endlich wie beispielsweise die Oberfläche einer Kugel, die einen endlichen Flächeninhalt, aber keine Grenzen hat, weil sie in sich selbst zurückläuft.
•Doch die Ergebnisse der kosmischen Ermittlung verrieten noch mehr, und das war die eigentliche Sensation: Ferne Sternexplosionen sind lichtschwächer, als sie selbst bei einer konstanten Expansionsrate in einem materielosen Raum sein dürften! Das bedeutet, dass sie weiter entfernt sind, als angenommen. Und daraus folgt, dass die Ausdehnung des Weltraums seit einigen
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