PR Odyssee 06 - Die Lebensboten
schließlich durchsichtig und fällt buchstäblich auseinander.
Doch vielleicht wird der Protonenzerfall aus unbekannten physikalischen Gründen unter-drückt. Aber dies ist kein Freispruch, denn dann werden die Bausteine der Atome vermutlich Opfer eines quantenmechanischen Tunneleffekts und zerfallen durch Zufall, indem sie in ein niedrigeres Energieniveau springen, oder die Quarks, aus denen Protonen und Neutronen bestehen, kommen sich irgendwann einmal so nahe, dass die Gravitation sie zu einem virtuellen Schwarzen Miniloch zusammendrückt, das sich sofort in Strahlung auflöst. Die Zeitskala dieser Vorgänge beträgt vielleicht 10 45 bis 10 200 Jahre. Der Untergang der Materie bedeutet, dass all die ausgebrannten Sterne, die Planeten und sogar die Staubteilchen, die in dieser Zeit noch durch den Weltraum irren, schließlich im dünnen Meer der kosmischen Strahlung aufgehen.
»Den gesamten 10 48 Tonnen gewöhnlicher Materie, die wir zurzeit im Universum beobachten können, ist es vorherbestimmt, entweder in Schwarzen Löchern oder durch langsamen nuklearen Zerfall zu verschwinden«, resümiert Davies lakonisch. Dann gibt es nur noch die Schwarzen Löcher wie düstere Inseln im Ozean der Finsternis.
Doch auch das Schicksal der Schwarzen Löcher ist durch die Naturgesetze bereits besiegelt. Stephen Hawking von der britischen University of Cambridge hat nämlich 1974 berechnet, dass Schwarze Löcher aufgrund von quantenmechanischen Effekten Wärme abstrahlen und somit letztlich auch Masse verlieren, wenn ihre Umgebungstemperatur hinreichend niedrig ist. »Schwarze Löcher sind gar nicht so schwarz«, schreibt er in seinem berühmten Buch Eine (in diesem Fall freilich nicht gar so) kurze Geschichte der Zeit.
Stellare Schwarze Löcher zerstrahlen im Lauf von etwa 10 66 Jahren, galaktische und supergalaktische brauchen 10 100 Jahre und mehr. Sie werden langsam aber sicher immer heißer und leichter. Wenn ein Schwarzes Loch auf die Masse eines Planetoiden geschrumpft ist, leuchtete es schwach infrarot und hat Zimmertemperatur. Mit 10 22 Gramm ist es so heiß wie die Sonne und hat immer noch 10 32 Jahre vor sich. Doch schließlich explodiert es in einem jähen, gleißenden Blitz aus Gammastrahlung. Dabei wandelt es in der letzten Sekunde seiner Existenz fast eine Million Kilogramm Materie in Strahlungsenergie um und hat die Sprengkraft von einer Milliarde Hiroshima-Atombomben. Die Explosion wäre in vielen Lichtjahren Entfernung sichtbar und erzeugt auch Elektronen, Positronen, Protonen und Antiprotonen, die sich teilweise gleich vernichten, während Letztere alsbald - in den gigantischen Zeitmaßstäben, die jetzt herrschen - wieder zerfallen. Die meiste Energie des Schwarzen Lochs wird jedoch in Form von Gammastrahlen freigesetzt - »eine flüchtige Grabinschrift für die einstige Existenz einer Milliarde strahlender Sonnen«, wie Davies es nennt. Dann herrscht von neuem die endlose Nacht.
Und Finsternis wird kommen
Durch den Protonenzerfall hat die Zahl der Positronen ständig zugenommen. Diese positiv geladenen Antimaterie-Geschwister der Elektronen gleichen somit den Materie-Überschuss wieder aus, der vermutlich bereits seit der ersten Sekunde nach dem Urknall herrschte und wahrscheinlich die Folge einer Asymmetrie in den Gesetzen der Teilchenphysik war.
Elektronen und Positronen können im Lauf von vielleicht 10 86 Jahren eine Art Mini-Atom bilden, das Positronium. »Dabei kreisen beide Teile, durch gegenseitige elektrische Anziehung miteinander verbunden, in einem Todestanz um ihr gemeinsames Massenzentrum«, erklärt Davies. »In der Mehrzahl der Fälle haben die Umlaufbahnen einen Durchmesser von vielen Billionen Lichtjahren. Träge geworden, legen die Partikel in Millionen Jahren nur wenige
Zentimeter zurück. Nichtsdestoweniger ist ihr endgültiges Schicksal vom Augenblick ihres Entstehens an besiegelt.« Im Verlauf von wenigstens 10 141 Jahren kollidiert das Positron mit dem Elektron und zerstrahlt.
Wenn das Proton entgegen der Auffassung der meisten Physiker doch stabil wäre, also keinem Zerfalls- oder Quantentunnelprozess zum Opfer fiele, gäbe es im Universum immer noch weit verstreute Materiebrocken. Doch selbst ihnen stünde keine unbeschadete Zukunft bevor. Winzige Bewegungen der Atome relativ zueinander führen nämlich dazu, dass sich die Materie über extrem lange Zeiträume hinweg wie eine zähe Flüssigkeit verhält: Sie wird kugelförmig. Nach einer Überschlagsrechnung von Freeman Dyson
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