PR Posbi-Krieg 02 - Stern der Laren
wies. Der seitlich abgespreizte »Daumen« kragte weit über die niedrigeren Häuser der Umgebung aus; seine Oberseite fungierte als Landeplatz für Gleiter und Beiboote. Dieses imposante Gebäude beherbergte die Zentrale des larischen Geheimdienstes, welcher »Lichtnetz« genannt wurde. Angeblich übertrafen die subplanetaren Etagen die sichtbaren Teile noch an Ausdehnung. Wie viel Wahrheit in diesem Gerücht steckte, wollte niemand so genau wissen oder gar am eigenen Leib erfahren. So sehr es die Bewohner Groschirs mit Stolz erfüllte, dass sich der Sitz des überaus einflussreichen, sagenumwobenen »Geheimen Flottenauges« in ihrer Heimatstadt befand, so ungern hatten sie persönlich damit zu tun. »Kriegt dich diese Hand zu fassen«, hieß es, »hält sie dich eisern im Griff und lässt dich nie wieder los.«
Auch Pulpon-Parkk wandte den Blick scheu und nervös gleich wieder ab und dem zweiten dominierenden Bau zu. Beeindruckte der Wolkenkratzer des Lichtnetzes wegen seiner Höhe und der strengen Kühnheit der Architektur, so wirkte die gegenüberliegende »Bastion Groschir« durch ihre schiere Masse und Hässlichkeit fast noch verstörender. Die Festungsanlagen, ein Sammelsurium verschiedenster Baustile und -materialien, hatten im Lauf der Jahrtausende zwei komplette Hügel überwuchert. Wie eine äußerst wehrhafte, zum Sprung bereite Stachelkröte hockte die Bastion mitten in der Metropole, eine martialische Geschwulst, die jederzeit aufbrechen konnte. Bei ihrem Anblick lief es Pulpon kalt über den Rücken.
Dennoch steuerte er seinen Gleiter darauf zu. Mit schweißnassen Händen: Die Einladung, die ihn vor wenigen Tagen überraschend ereilt hatte, stellte eine hohe Ehre für ihn dar. Sekundarfeudale wurden gewöhnlich nicht zum Vasallentag berufen. Und der Verwalter eines Stadtbezirks, selbst wenn es sich dabei um Dekombor handelte, das Exotenviertel von Taphior, stand keineswegs auf einer hierarchischen Stufe mit Regiments- oder gar Flottenkommandanten.
Ein Leitstrahl erfasste den Zweisitzer, überprüfte dessen Kennung und nahm ihn in Fernsteuerung. Während sie eingeschleust wurden, strich Pulpon-Parkk zum hundertsten Mal die Hosen glatt. Die nagelneue Uniform hatte ihn ein kleines Vermögen gekostet: freilich nur einen Bruchteil dessen, was er für das Kleid seiner Tochter Mitrade ausgelegt hatte. »Eine solche Gelegenheit, meine Ehre vor Nindel-Greer und ihrer Clique wiederherzustellen, kommt vielleicht nie mehr«, waren ihre Worte gewesen. »Sieh bloß zu, dass auch du einen halbwegs zufriedenstellenden Eindruck auf ihren Vater machst.«
Nindels Vater. General Kat-Greer, Oberbefehlshaber der ruhmreichen Neunten Flotte, Erster Steuermann des Großen Bootes GREER und damit Anführer eines der einflussreichsten Familienclans im Trovent, Pulpon-Parkks Lehnsherr und nicht zuletzt Gebieter über die Bastion Groschir. Ein Mann, der Pulpon und die Seinen mit einem einzigen Fingerschnipsen vernichten konnte, oder aber protegieren, gesellschaftlich aufwerten, vielleicht sogar mit einem höheren Amt betrauen. Der Verwalter von Dekombor hoffte inständig, mehr noch für seine Tochter als für sich selbst, dass sich die Einladung zum Vasallentag als ein gutes Omen erweisen würde.
Ein larischer Bediensteter geleitete sie vom Hangar in den Empfangssaal. »Ihr seid zum ersten Mal hier?«, fragte er, eine Braue ganz leicht hochgezogen.
»Merkt man das denn so deutlich?« Mitrade versetzte Pulpon einen Knuff in die Seite und zischte: »Nun glotz halt nicht dermaßen offensichtlich!«
Das war leichter gesagt als getan. Pomp und Gepränge allein der Treppenhäuser und Korridore erschlugen ihn förmlich. Hinzu kam, dass entlang der Wände alle paar Schritte Soldaten in übergroßen Kampfmonturen postiert waren, Hitze abdampfende Ungetüme, die ihre schweren Waffen präsentierten, ohne erkennbare Anstrengung, als handle es sich um Dessertgabeln. Dass dieser Aufwand nicht so sehr der Sicherheit diente - wer würde wagen, General Kat-Greer in seiner ureigensten Bastion anzugreifen? -, sondern vielmehr der Einschüchterung, war Pulpon-Parkk klar. Zumindest bei ihm, musste er sich eingestehen, wurde die erwünschte Wirkung nicht verfehlt. Ihm war äußerst mulmig zumute, und beim Betreten der Empfangshalle zitterten seine Knie.
Hier hatten sich Tausende und Abertausende Laren versammelt. Aus allen Richtungen, durch unzählige Eingänge, strömten weitere hinzu. Dennoch entstand mitnichten der Eindruck einer drohenden
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