PR Rotes Imperium 03 - Die Zukunftsbastion
Endloses Freizeichen.
Ich setzte meinem Telefon ein letztes Ultimatum von einer halben Stunde. Die Zeit verstrich. Ich stand auf, zog den Mantel über, setzte den Hut auf und machte mich auf den Weg.
Carmen wohnte im siebenten Stock in einem Zweizimmer-Apartment neben etlichen anderen Sekretärinnen in anderen Zweizimmer-Apartments; eine Art von Sekretärinnen-Intensivhaltung. Ich besaß einen Schlüssel zu Carmens Wohnung. Trotzdem klopfte ich, wartete fast eine Minute. Dann schloss ich auf.
Ich trat ein und blieb mit geschlossenen Augen stehen. Es hatte alles keine Eile mehr. Der Geruch ihres Todes hatte sich wie eine Beize in der ganzen Wohnung verbreitet, hatte sich unter den Türen her und durch die Schlüssellöcher geschlängelt.
Sie lag im Schlafzimmer auf dem Bett, die Glieder ausgestreckt und an die Bettpfosten gebunden, nackt, ausgeweidet. Die Haut ihres Leibes war zerschnitten und hing an Haken aufgespannt, die man an der Decke befestigt hatte. Augen, Zunge und innere Organe verwesten in Töpfen, Pfannen und Tupper-Schüsseln, die rings um das Bett aufgestellt waren wie ein Bannkreis.
Ich hielt mir ein Taschentuch vor Mund und Nase und öffnete das Fenster zur Straße. Es war ein herrlicher Tag, blauer Himmel, einige hingetupfte Wolken, nicht zu heiß, ein solider Wind.
Die Polizei, die ich gerufen hatte, war gnädig. Der Einsatzleiter hatte schon zu viel gesehen, seine Augen waren wie leere Spiegel, als er sagte: »Es sind zu viele Menschen in der Stadt.« Er nahm den Hut ab und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Viel zu viele Menschen.«
Ich fuhr weder nach Hause noch ins Büro, fuhr direkt aus der Stadt, Richtung Connecticut. Zahnbürste, eine Klinge und Rasierwasser würde ich mir unterwegs kaufen, neue Unterwäsche, falls nötig. Das Fragment des Gazini-Smaragds hatte ich in die Brusttasche meines Hemdes gesteckt. Ich hatte das deutliche Gefühl, ich hätte ihn ebenso gut wegwerfen können.
Die alte Lady hatte mich nicht ausgeschickt, den Gazini-Smaragd zu beschaffen, sondern das Rätsel zu lösen. Und wenn ich auch das Rätsel nicht begriff: Ich hatte es wohl gelöst. Und das Ensemble dadurch zerstört. Niemand würde mich anrufen, niemand würde die Auslieferung des Steines verlangen.
Es war vorbei.
Ich nahm die Küstenstraße durch Bridgeport und New Haven, dann die Interstate 91 hoch Richtung Norden, durch Cromwell nach Hartford, danach die kleineren Straßen ostwärts. Manchester war ein reichlich heruntergekommener Flecken. Der Mond hing am Himmel, blass, ausgelaugt, wie ein billiges Versprechen. Ich mietete mich im Manchester Inn auf der East Center Street ein, einem billigen, zweistöckigen Motel, wo das Wasser von der Badezimmerdecke tropfte.
»Hausgemachter Regen«, kicherte der Gehilfe des Pächters, der mich überflüssigerweise auf mein Zimmer begleitete.
Ich inspizierte die Räume flüchtig und ignorierte ihn demonstrativ. Der Gehilfe plauderte unbeeindruckt drauflos, von den vielen Attraktionen, die der Ort zu bieten hätte: dem Mark-Twain-Gedächtnishaus, dem Harriet Beecher Stowe Center und dem Dinosaur State Park.
»Sie werden sich nicht langweilen«, versprach er.
»Nein«, sagte ich, wühlte zwei Ein-Dollar-Noten aus der Tasche und bat ihn, mir ein Telefonbuch zu bringen.
Als er aus dem Raum war, legte ich mich auf das Bett mit der fast bis zum Boden durchgelegenen Matratze, trat mir die Schuhe von den Füßen und schaltete das Fernsehgerät ein. Im ersten Programm bot der örtliche Chevrolet-Händler Neu- und Gebrauchtwagen zu so himmlisch günstigen Preisen an, dass ein Engelschor aus drei bejahrten, aber noch recht rüstigen Engeln, die sich hinter ihm aufgebaut hatten, in ein schlecht einstudiertes Hallelujah ausbrachen. Ich schaltete um und sah eine Weile lang den vergeblichen Versuchen von Wile E. Coyote zu, endlich den Road Runner zwischen die hungrigen Zähne zu kriegen. »Meep meep«, sagte der Road Runner. Ich seufzte und schlug das Telefonbuch auf: kein Road Runner verzeichnet im Großraum Manchester, und auch kein Rhodan.
Der Mann am Empfang riet mir davon ab, das Abendessen in dem Restaurant zu nehmen, das dem Motel angeschlossen war.
»Haben Sie einen Geheimtipp?«, fragte ich.
»Klar, aber wenn ich den verraten würde, wäre es ja kein Geheimtipp mehr!« Er gluckste über den gelungenen Scherz.
Immerhin riet er mir zu einem Grillrestaurant, das sich einige Straßen weiter, aber noch in Laufnähe befand. Ein Restaurant
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