PR TB 013 Sternkolonie Troja
geworfen,
als hätte ein Kampf stattgefunden. Unter einer der Decken
hervor, über den Bettrand baumelnd, hingen ein Paar Füße,
nichts als Knochen und runzlige, grauweiße Haut. Pip atmete
scharf zwischen den Zähnen hindurch. Hier im Schlafzimmer war
der merkwürdige Geruch am schärfsten. Tiff nahm sich Zeit,
sich umzudrehen und den Scout zu mustern. Er war blasser als sonst
und sah aus, als müßte er sich im nächsten Augenblick
übergeben.
Tiff trat ein. Rechts an der Wand lag Oliva, nur mit einer Art
Nachthemd bekleidet und augenscheinlich bewußtlos. Sie atmete,
das war zu sehen. Tiff stellte sich neben das Bett und schlug die
Decke zurück, unter der die Füße hervorragten. Babbo
kam zum Vorschein - aber was für ein Babbo! Er sah aus, als wäre
er über Nacht fünfzig Jahre gealtert. Von der ansehnlichen
Polsterung, die er sich trotz des harten Lebens auf TROJA erhalten
hatte, war nichts mehr zu sehen. Der
Körper glich den Füßen. Nur noch Knochen waren da
und faltige Haut, der der Körper, den sie bisher umspannte, zu
klein geworden war. Das Gesicht war ein Totenschädel.
Tiff zog ein Messer, bog Babbos rechten Arm vorsichtig zur Seite
und ritzte die Haut dicht über dem Handgelenk. Ein Tropfen
farbloser Flüssigkeit kam aus der Wunde, das war alles.
Babbo trug ein Unterhemd und eine Hose. Tiff riß das
Unterhemd entzwei und legte die Brust vollends frei. Deutlich waren
die blutunterlaufenen Flecken zu sehen, die die Pflanze hinterlassen
hatte. Tiff blickte auf und studierte geistesabwesend das zerbrochene
Fenster über dem Bett.
Von draußen kam plötzlich Lärm. Jemand riß
die Tür auf und polterte herein.
„Wo sind Sie?“ schrie eine heisere Stimme.
„Hier“, antwortete Tiff ruhig. „Machen Sie sich
auf etwas gefaßt, George!“
Der Arzt kam herein. Er sah aus, als hätte er die ganze Nacht
nicht geschlafen. Er hatte tiefe Ringe unter den Augen, ein
Stoppelbart war ihm gewachsen, und die Haare hingen wirr
durcheinander.
„Wie ... was ist...“, stotterte er.
„Babbo ist tot“, sagte Tiff und legte ihm beruhigend
die Hand auf die Schulter. „Daran können Sie nichts mehr
ändern. Aber Oliva braucht Hilfe. Wenn Sie sie vielleicht
mitnehmen könnten?“
George nickte zerfahren. Er trat auf Oliva zu und untersuchte sie
flüchtig.
„Wahrscheinlich Schock“, murmelte er. „Pip,
willst du mir helfen?“
Ohne ein Wort zu sagen, faßte Pip zu. Er besaß mehr
Kräfte, als man seinem dürren Körper ansah. Mühelos
hob er Oliva auf die Arme und trug sie hinaus. George wollte hinter
ihm her, aber Tiff hielt ihn fest.
„Was ist los?“ fragte er. „Sie sehen aus, als
wäre Ihnen der Teufel persönlich über den Weg
gelaufen.“
George strich sich über die Stirn.
„So ähnlich“, stieß er hervor. „Sie
erinnern sich an II-sa und das Kind ohne Kopf?“
Eine Ahnung stieg in Tiff auf.
„Ja, natürlich.“
„Gut. Heute morgen um vier Uhr hat Pebbes Frau, Zeppa, ein
Kind auf die Welt gebracht.“
Tiff sah ihn auffordernd an.
„Na und?“
„Na und?“ schrie George, und die ganze Verbitterung
der vergangenen Nacht brach mit einem Schwall aus ihm hervor. „Ilsas
Kind hatte keinen Kopf, aber sonst war es recht normal. Zeppas Geburt
sieht nicht einmal mehr wie ein Kind aus!“
„Lebt es?“ war das erste, was Tiff wissen wollte.
„Ja. Aber ich habe keine Ahnung, wie lange noch. Ich weiß
nicht einmal, wie ich es ernähren soll. Was ißt ein
eiförmiger Klumpen Fleisch mit einem braunen Fell ringsherum?
Heu? Milch? Steine?“
Tiff fällte seine Entscheidung rasch.
„Die Leute da draußen könnten Sie jetzt gut
gebrauchen, George“, erklärte er ruhig. „Einen Mann
mit Autorität. Babbos Tod hat eine tiefe Lücke gerissen.
Aber ich glaube, Sie haben vorerst andere Aufgaben. Oliva und die
beiden Kinder. Bringen Sie die Frau wieder auf die Beine. Wir
brauchen ihre Aussage über das, was hier vorgefallen ist. Und
halten Sie die beiden Kinder am Leben. Das ist womöglich noch
wichtiger.“
George schickte sich an zu gehen. Auf halbem Weg zur Tür
blieb er noch einmal stehen und musterte Tiff mißtrauisch.
„Sie halten mit etwas hinter dem Berg, nicht wahr?“
fragte er. „Sie wissen eine Menge mehr, als Sie vorgeben?“
Tiff lächelte ihn an.
„Ich weiß gar nichts“, antwortete er.
„Wenigstens im Augenblick noch nicht. Ich bin nur ein bißchen
weiter herumgekommen als die meisten Leute hier.“
George nickte und verließ das Haus ohne ein weiteres Wort.
Tiff
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