PR TB 015 Ich, Rhodans Mörder
Hinterzimmer besaß ein großes Fenster, durch das
ich ohne weiteres fliehen konnte. Ich machte Gourtney darauf
aufmerksam.
„Sie werden hierbleiben”, sagte er überzeugt.
Gourtney versorgte mich mit einem Essen, dem gegenüber
Langsys Verpflegung sich kümmerlich ausgenommen hätte. Wir
aßen zusammen im „Gefängnis”.
„Ich habe viel über Männer wie Sie gelesen”,
eröffnete mir Gourtney nach dem Essen.
Was immer er gelesen hatte, es wurde von der Wirklichkeit
übertroffen.
Doch das konnte Gourtney nicht wissen.
*
Mitten in der Nacht stand ich auf und schaltete das Licht ein.
Meine Blicke fielen auf die große Uhr über dem
Wandschrank. Ich hatte noch nicht geschlafen.
Auf Gourtneys Uhr konnte ich jede Stunde bis zur Ankunft Rhodans
verrinnen sehen - wenn ich es wollte. Ich konnte ruhig auf dem Bett
sitzen und warten.
Wann würde das Raumschiff landen? Ich rechnete damit, daß
es in ungefähr zehn bis zwölf Stunden auf Gelton eintreffen
würde.
Die Luft innerhalb des Zimmers kam mir unerträglich heiß
vor. Ich ging zum Fenster und riß es auf. Fast im gleichen
Augenblick flog die Tür auf, und Gourtney stürmte herein.
„He!” rief ich. „Ich dachte, Sie schlafen. Sie
waren doch so sicher, daß ich nicht ausbrechen würde.”
Er blickte traurig aus dem Fenster in die Nacht hinaus.
„Wollten Sie fliehen?”
Fliehen! Wie sollte er wissen, daß es für mich keine
Flucht gab. Dieses Zimmer, was war es gegenüber dem Gefängnis,
aus dem es für mich keinen Ausbruch geben konnte? Siebentausend
Menschen lebten in GeltonCity. Alle, die ich bisher getroffen hatte,
merkten, daß mit mir etwas nicht in Ordnung war. Keiner kam auf
den Gedanken, mich ernsthaft zu untersuchen. Ich kannte den Grund
dafür. In ihrer Beurteilung legten sie ihre eigenen Wertbegriffe
als Maßstab an. Für sie gab es nur Schwarz und Weiß.
Sie waren so stark im Aufbau der Kolonie begriffen, daß jedes
andere Problem zurückstehen mußte. Ich fügte mich
nicht in ihre Ordnung, das hatten sie
begriffen. Doch niemand forschte intensiv genug nach dem Warum.
Geduldig warteten sie, daß ich mich ändern würde.
Wenn sich diese Erwartung nicht erfüllen würde, hofften
sie, daß man mich nach Terra abschob.
„Sie können schlafen”, sagte ich zu dem Beamten.
„Ich werde diesen Raum nicht verlassen.” Gourtney
seufzte, verließ das Zimmer und schloß die Tür
hinter sich. Ich war sicher, daß er draußen mit
angespanntem Gehör lauerte, um beim geringsten verdächtigen
Geräusch sofort hereinzukommen.
Ich warf mich aufs Bett. Insekten schwirrten, angezogen durch die
helle Lampe, ins Zimmer herein. Schwacher Wind ließ die Fahnen
auf dem Dach flattern, und der Lärm, den sie machten, wurde eins
mit dem Knarren ausgetrockneten Holzes überall im Haus.
Da erschien inmitten des Fensters eine Gestalt.
„Halogh!” rief ich überrascht.
Sofort war der Eingeborene wieder verschwunden. Ich sprang auf und
hastete zum Fenster. Nichts war zu sehen. Ich wischte mir über
die Augen.
Litt ich an Wahnvorstellungen? Die Umgebung des Hauses schien
ruhig und verlassen vor mir zu liegen. Ich kehrte zum Bett zurück.
„Sind Sie noch da?” rief Gourtney von draußen.
„Natürlich!” gab ich zurück.
Ich hörte ihn stöhnen und dann kam das Knarren einer
alten Couch, die er neben die Tür geschoben hatte und die unter
seinem Körpergewicht ächzte. Das Erscheinen des
Eingeborenen beschäftigte mich. Ich war sicher, das Wesen im
Fenster gesehen zu haben. Der dunkle Pelz, die großen Augen und
die Greifhände, mit denen er sich am Rahmen festgehalten hatte,
das konnte keine Halluzination gewesen sein.
Was wollten sie von mir?
Ich schaute zur Uhr. Die Zeit verging schnell, Unaufhaltsam
näherte sich der 20. Februar, der Tag, an dem Perry Rhodan der
Kolonie die Unabhängigkeit geben würde.
Und ich, Dunn Beynon, der Kolonie den Tod…
20. Februar
Ich erwachte vom Musiklärm. Sonnenlicht fiel durch das offene
Fenster ins Zimmer. Von der Straße drang das Geschrei und der
Gesang fröhlicher Kolonisten zu mir herein.
Der 20. Februar war angebrochen.
Er war nicht mit dunklen Wolken oder Sonnenfinsternis gekommen,
dieser Tag, an dem sich das Schicksal der Kolonie entscheiden würde,
sondern mit Sonnenschein, Jubel und Musik. Die Menschen dort draußen
feierten ihr Ende, ohne es zu wissen.
Ich schaute zur Uhr. In drei bis vier Stunden mußte das
Raumschiff mit Perry Rhodan an Bord landen. Ich stand auf und ging
zum Fenster.
Gourtney
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