PR TB 023 Der Einsame Von Terra
der
Göttin Diana. Nicht ohne einen gewissen rustikalen Charme, fand
Seymour. Er ging auf die Mädchen zu und sagte in tadellosem
Shand'ong:
»Seymour Alcolaya ersucht, die Mutter der Klans zu
sprechen.« Ein dumpfer Gong krachte im Innern des Hauses. »Du
kannst hineingehen, Terraner«, sagte ein Mädchen. Seymour
schenkte ihr sein schönstes Lächeln und zog die Tür
auf. Dämmerige Kühle und der strenge Geruch verbrennenden
Harzes empfingen ihn; seine Augen brauchten Sekunden, um sich
umzustellen.
Die Mutter der Klans saß in ihrem Sessel, der jetzt etwas
von dem Schreibtisch weggerückt war, an einer Wand, auf den Lauf
eines jener Gewehre gestützt, lehnte ein Mädchen der Garde.
Eine kurze, fast nicht wahrnehmbare Handbewegung der Mutter bewirkte,
daß das Mädchen den Raum verließ. Eine fast
mönchische Stille erfüllte den hellen Raum, in den nur
spärliches Tageslicht drang. Das helle, schmale Gesicht der Frau
war wie spiegelndes Glas, umrahmt von dunklen Gewändern. Ihre
Stimme wurde hörbar.
»Wir sind allein - was wünschst du, Seymour?«
Seymour blieb vor der Mutter stehen und verneigte sich tief. Er
hob den Kopf und antwortete:
»Ich habe ein Anliegen, Mutter. Einen Wunsch an dich und
deine Macht. Ich komme als ein Bettler.« Müde sagte die
Frau: »Du kommst, wie immer, als ein Schmeichler, Terraner. Geh
und öffne einen der Vorhänge. Ich möchte dein Gesicht
sehen.«
Helligkeit überschwemmte den Raum wie eine Woge, und sie
brachte die Einzelheiten zum Vorschein. Jeder Mensch, der über
eine gewisse Zeit hinweg Herrscher ist, muß zum Herrscher
geboren worden sein - die Mutter war es. Auch sie war das Ergebnis
langer Auslese an Geist und Körper. Ihr Gesicht war, mit den
Maßstäben dieser Welt gemessen, von geradezu überirdischer
Schönheit. Große traurige Augen blickten Seymour an. Die
Mutter der Klans saß nicht umsonst in jenem Stuhl, der wie ein
Thron geformt war; die Frau war von der Hüfte abwärts
gelähmt. Sie war, in ihren wilden Jahren, eine der besten
Fischerinnen gewesen, bis sie die Zähne eines Giftfisches
trafen. Dann, Jahre nach diesem Ereignis, hatte man sie zur Mutter
der Klans bestimmt.
Sie sprach fließend Terranisch, mitjenem merkwürdigen
Akzent der Shand'ong, der die Vokale leicht veränderte.
»Setz dich«, sagte sie, und Seymour gehorchte
schweigend. Auf eine besondere Art fühlten sich diese beiden
Wesen verbunden. Er bewunderte ihre Klugheit und sie sein Wesen, das
Beherrschtheit und Sachlichkeit ausströmte.
»Gestern kamen zwei Männer ...«, begann er.
»Ich weiß alles über sie«, sagte die Frau.
Ihr Name war Nkalay.
Es war überflüssig, weiterzufahren. So sagte Seymour
nur: »Ich bitte dich, sie beobachten zu lassen und zu verhüten,
daß sie etwas anrichten, was uns beiden unangenehm wäre.
Möglich, daß ich mich sehr irre, aber ich traue ihnen
nicht.«
»Du wirst Bescheid erhalten, wenn sich etwas Ungewöhnliches
ereignet.« - »Danke, Nkalay.«
Das Mädchen brachte einen Krug und zwei Gläser, die
unter normalen Umständen kleine Vermögen wert waren; die
Leute der Wüstenländer hatten sie der Mutter der Klans
geschenkt. »Trinkst du?« fragte Nkalay, und Seymour
nickte.
Die Mutter der Klans hatte in jeder Stadt die höchste aller
möglichen Aufgaben zu erfüllen. Zwar wurde ihr jeder Wunsch
von den Augen abgelesen, aber ihre schmalen Schultern trugen fast zu
schwere Lasten. Da die Klans Shand'ongs matriarchalisch geleitet
wurden und genau abgegrenzte Bezirke der Tätigkeit hatten, war
die Mutter der Klans diejenige, die alles koordinierte. Sie war für
das reibungslos funktionierende Leben der Stadt K'tin Ngeci
verantwortlich.
Die Mutter ließ zu, daß Seymour die Gläser
füllte. Sie enthieltenjetzt schwachprozentigen Ssagis, der
aromatisch versetzt war.
»Noch etwas ...«, begann Seymourwieder. »Ichhabe
...«
Die Mutter lächelte etwas anzüglich; vermutlich
erinnerte sie sich der Jahre, in denen sie noch nicht hier residiert
hatte.
»Dieses Mädchen Elisabeth«, sagte sie. »Du
willst vermutlich, daß ich meine tausend Augen auch über
sie werfe. Ist es so?«
»O Born der Klugheit«, erwiderte Seymour und stöhnte.
»Was weißt du nicht, bevor es andere aussprechen?«
»Vieles, Seymour«, sagte Nkalay mild. »Zu
vieles. Ich möchte gern ganz in die Herzen der Menschen sehen
können, und in manche terranische dazu.«
»Es wäre keine rechte Freude, Nkalay«, betonte
Seymour. »Du würdest Dunkel entdecken und Zweifel,
Unschönes und
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