PR TB 046 Planet Unter Quarantäne
weiter und verlangte, man solle das christliche Gebot
der Nächstenliebe anwenden und Gutes tun, ohne gleichzeitig eine
Gegenleistung zu erwarten. Trotz dieser denkbar günstigen
Umstände wollte eine Freundschaft zwischen dem Kommandanten und
dem Ezialisten nicht so recht zustande kommen.
Um sich über den Ezialismus zu informieren, nahm Chester
Wyland an einer Vorlesung Flensh Tringels teil. Als der Kommandant
das fünfzehnte Deck betrat, wies ihm eine Leuchtschrift den Weg
in eine Ecke, die der Ezialist als Vortragssaal eingerichtet hatte.
Chester Wyland ließ sich auf einen Sitz in der letzten Reihe
fallen. Außer ihm waren noch drei andere Mannschaftsmitglieder
da. Als sie nacheinander die Köpfe wandten und ihn mit einem
Lächeln begrüßten, erkannte er Bayer, den
Astronavigator und Mechaniker, Horst Brühmann, einen der fünf
Kalup-Spezialisten, der gleichzeitig Anthropologe war, und Daniel
Branquard, der ebenfalls Mechaniker war und nebenbei Mediziner,
genauer gesagt, Mikrochirurg.
Bis zum Beginn der Vorlesung stellten sich noch ein halbes Dutzend
Männer ein, aber nur Phillip Rieda, der Astronom, war Wyland
persönlich bekannt.
Auf die Minute genau betrat Flensh Tringel den Raum und setzte
sich mit einer leichten Verbeugung auf den Platz hinter dem
Rednerpult.
»Meine Herren«, begann er, »es freut mich, dass
zumindest zehn Leute den Weg zu diesem Vortrag nicht gescheut haben.
Das sind zweieinhalb Prozent der Mannschaft, und nach meiner
Wahrscheinlichkeitsrechnung ein äußerst erfreulicher
Prozentsatz. fch habe errechnet, dass eine Hörerschaft von
dreißig überwiegend aus Neugierigen bestanden hätte,
und weniger als sieben Anwesende hätten mir gezeigt, dass der
Ezialismus an Bord kein Interesse findet. Nun - wir können
beruhigt sein.«
Er lächelte zu seinem kleinen Auditorium hinunter, das
interessiert zu ihm aufsah. Flensh Tringel war ein Mann von
durchschnittlicher Größe, durchschnittlichem Alter und
durchschnittlichem Aussehen. Nichts an ihm war bemerkenswert oder
auffällig; sein Haar war ordentlich, aber nicht mit peinlicher
Sorgfalt gekämmt; seine Gesten waren weder temperamentvoll noch
zurückhaltend; seine Stimme besaß keine besondere
Ausdruckskraft, war aber auch nicht klangarm. An ihm gab es keine
Besonderheiten, keine Extreme
- alles lag in der Mitte. Wie es mit seinen Fähigkeiten
bestellt war, würde Chester Wyland als Psychologe bald
herausfinden.
Professor Flensh Tringel sprach weiter. Er bedauerte es, dass der
Ezialismus nicht größeren Kreisen ein bekannter Begriff
sei, denn dann hätte er sich ermüdende Erklärungen
ersparen können. Er setzte seinen Hörern auseinander, dass
EZI die Abkürzung von Extra Zerebrale Integration sei, was
nichts anderes bedeute, als die Fähigkeiten und Funktionen des
Gehirns zu einem Ganzen zu vereinigen.
»Das bedarf allerdings einer näheren Erklärung«,
fuhr er fort. »Der Ezialismus will nicht eigentlich die
latenten Fähigkeiten, wie ESP-Talente, wachrufen. Dafür
gibt es andere Methoden. Vielmehr ist es das Hauptanliegen des
Ezialismus, das vorhandene und angeborene Gut auszunutzen. Ein
Beispiel dafür: Jeder unter Ihnen hat schon an sich
festgestellt, dass er
Tage hat, an denen ihm einfach nichts gelingen will. Ein andermal
wieder geht alles >wie geschmiert< von der Hand.« Er
richtete den Blick auf Chester Wyland und sagte: »Keine Sorge,
Kommandant, ich will nicht in Ihr Fachgebiet eindringen, obwohl die
Psychologie eine wertvolle Teilwissenschaft des Ezialismus ist. Aber
hier meine ich nicht seelische Depressionen, die es fertig bringen,
selbst einen Mann mit eidetischem Gedächtnis nach etwas suchen
zu lassen, das er die ganze Zeit über in der Hand hält. Ich
will hier nur sagen, dass das Gehirn ganz einfach Perioden hat, in
denen es rastet - ganz abgesehen von den äußeren
Umständen. Zum Teil bemüht sich der Ezialismus, diese
Ruhepausen des Gehirns auszumerzen, abzuschaffen.«
Flensh Tringel machte eine Pause.
»Welche Methoden wendet der Ezialismus dafür an?«
fragte er. Nach einer neuerlichen Pause fuhr er fort: »Darauf
verweigere ich im Augenblick noch die Antwort, denn die Methoden sind
weniger ausschlaggebend als das Medium selbst. Der IQ ist dabei nicht
ausschlaggebend, auch nicht das spezialisierte und das allgemeine
Wissen - das ja von der eigentlichen Intelligenz strikt zu trennen
ist -, sondern es gilt allein die Einstellung des Individuums zu der
Sache an sich. Also die Einstellung zum Ezialismus. Es
Weitere Kostenlose Bücher