PR TB 047 Höllentanz Der Marionetten
werden dir auf die manikürten Finger sehen,
mein Junge!“
Er schlenderte weiter. Sprach kurz mit einem Offizier, dann mit
der Hosteß, die ihn auf seinem Flug hierher betreut hatte und
fragte sie nach Sandia Maint.
„Maint? Sie fliegt jetzt auf der LE REVENANT!“ Es
klang verachtungsvoll.
„Was ist daran erschreckend, meine Dame?“ fragte
Rogier ruhig und spielte mit dem winzigen Werbefeuerzeug des Hotels,
das nach dreißigmaliger Benutzung weggeworfen werden mußte.
„Trunkenheit im Dienst. Etwa das Schlimmste, was unsereinem
passieren kann!“ erklärte die Hosteß. Dann begegnete
sie dem harten, kompromißlosen Blick des Mannes und schwieg.
„Vielleicht stellt sich eines Tages heraus, daß sehr
vieles hier in Rajpat ein kolossaler Irrtum war. Ich hoffe, Sie
ändern dann Ihre Meinung. Ist Sandia irgendwo hier in der Nähe?“
„Draußen an der Dachbar.“
„Danke.“
Das Mädchen starrte ihm nach, als habe sie einen Toten,
gesehen.
Rogier erreichte die Dachbar und sah von hinten das dunkelblonde
Haar des Mädchens, ging schnell näher und tippte dem jungen
Mann neben ihr auf die Schultern.
„Verzeihung“, sagte er höflich. „Sie sind
nicht Mister Caanin?“
„Nein. Ich heiße Baylee.“
„Ich komme von Mister Sarillet. Er sucht zwei Herren, einen
gewissen Caanin und Sie. Entschuldigen Sie, Ihr Name war mir bei der
Vorstellung entfallen. Nguyen wartet an der Garderobe.“
„Danke. Verzeihen Sie, Miß Maint?“
Sie nickte, und Rogier setzte sich auf den freigewordenen Hocker.
„Ich hätte nicht geglaubt“, sagte sie lächelnd
und machte eine undeutliche Geste mit der Hand, „daß auf
diesen antiken Trick noch jemand hereinfällt.“
„Glauben Sie mir: In bestimmten Situationen fällt jeder
auf diesen Trick herein. Ich sehe, Sie langweilten sich. Wie geht
es?“
„Wie es jemandem geht, der fünf Tage Urlaub hat. Wer
sind Sie eigentlich?“
„Hat es Ihnen Satya nicht gesagt?“
Sandia Maint schüttelte den Kopf. Sie hatte sehr
ausdrucksvolle schwarze Augen, über denen ein hingetupfter Hauch
von Lidschatten lag. Die Wimpern waren zu lang, um echt zu sein. Ihr
raffiniert einfacher Hosenanzug war weiß und leuchtete in der
Dunkelheit.
„Nein. Ich erfahre grundsätzlich alles nur aus dritter
Hand. Jemand, der aus seiner Stellung flog, ist hier Figur am Rand,
nicht im Zentrum.“
„Da das Zentrum bekanntlicherweise weit vom Rand entfernt
ist, allerdings je nach Durchmesser des Kreises, ist das sehr
schlimm“, sagte Rogier mit seinem kalten Lächeln und
streckte seine Hand aus. „Wann, sagten Sie, hatten Sie Ihren
letzten Anfall?“
Ihr Gesicht zerfiel.
Es war für den Mann faszinierend, zu beobachten, wie sich ein
menschliches Gesicht in Sekundenbruchteilen völlig verändern
konnte. Der Zerfall eines Jahrzehnts wurde in eine Sekunde
komprimiert. Gleichermaßen fiel die gerade Haltung des
fünfundzwanzig] ährigen Mädchens zusammen; sie lehnte
sich nach vorn, fing sich wieder und starrte dann an Rogier vorbei
auf das Licht einer Fackel.
„Woher wissen Sie es?“ fragte sie tonlos.
„Das erkläre ich Ihnen später. Wollen wir
hierbleiben, oder wechseln wir die Umgebung? Ich schlage den
Starlightroom von Finesilvers Hotel vor.“
Sandia nickte schweigend.
„Bitte“, sagte Rogier eindringlich. „Sie gehen
jetzt langsam über das Dach auf die Treppe zu. Ich muß
mich von einer Mitarbeiterin verabschieden. “
Wieder nickte sie. Dann griff sie mit dem Ausdruck einer
Ertrinkenden nach Rogiers Hand. Er half ihr vom Hocker und ging dann
zurück in den hellerleuchteten Lärm zwischen den teuren
Wänden des Penthouse. Binnen fünf Minuten fand er Satya.
„Ich bin in fünfzehn Minuten im Starmont“, sagte
er schnell. „Komm mit der Kamera und mit Lee dorthin. Sollte
ich nicht mehr dort sein, bin ich auf dem direkten Weg zu Sandias
Apartment.“
„Ein Tempo wie ein Raumschiff“, sagte sie. „Viel
Spaß.“
Er lächelte sardonisch.
„Mehr Reife, Satya“, sagte er leise. „Ich
versuche, aus Sandia herauszubekommen, wann und wo man ihr die Droge
verpaßt haben konnte.“
„Ich verstehe. Ich werde kommen. “
Rogier bog ab, ging schnell zwischen den pedantisch geschnittenen
Hecken des Pseudobarockgartens entlang und bemerkte, daß nicht
alle Räume den Gästen zugänglich waren. Eine etwa zehn
mal zehn Meter messende Fläche verbarg sich hinter den massiven
Betonmauern der Fertigbauteile, aus denen das Haus zusammengesetzt
war. Fensterlos, registrierte Rogier, mit
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