PR TB 063 Die Tempel Des Todes
mit
beiden Armen winkte und hörte schnelle, fast unverständliche
Befehle. Ich bog den Schaft halb um und riß ihn aus dem Holz.
Neben dem König stand j etzt ein Soldat und legte mit der fast
übertriebenen Ruhe eines meisterlichen Schützen einen Pfeil
an den Bogenschaft, in die Vertiefung, die entsteht, wenn sich Finger
und Daumen um den Griff klammern. Dicht neben meinem Ohr jaulte der
Pfeil vorbei; der Luftzug riß an meinem langen Haar.
Enme-en war auf der Stelle tot.
Der Pfeil drang tief in seinen Körper, durchbohrte das Herz
und fuhr zum Rücken hinaus. Der Berater drehte sich langsam um
hundertachtzig Grad und fiel krachend aufs Gesicht.
„Schafft ihn fort und verscharrt ihn", sagte Nidaba-an
ruhig. „Sprich weiter, mein Freund. Ich sagte schon: Meine
Feinde sind auch deine Feinde. "
Ich hob die Hand und kehrte ihm die ungeschützte Handfläche
zu.
„Dafür, Nidaba-an, ehre ich dich", sagte ich
unüberhörbar laut. Ich zerbrach den Speer über meinem
Knie und schleuderte die Bruchstücke unter den Tisch, dann
wandte ich mich wieder an die anderen Herrscher. Ihre T run-kenheit
war offensichtlich halb vorüber, denn sie lauschten mir in
schweigender Konzentration. Die Soldaten vertrieben die Hunde von der
Leiche und zerrten Enme-en davon, aus dessen Rücken die
Steinspitze des Pfeiles hervorsah.
„Ich brauche also Hilfe. Ich werde eine Truppe von harten
Kriegern brauchen, um die Dämonen zu bekämpfen. Dafür,
daß mir geholfen wird, helfe ich euch - denn diese Dämonen
würden, wenn wir sie nicht töten, in Mengen wiederkommen.
Zehnmal zwölf große Heere mit mächtigen Kriegswagen.
Sie würden das Land überschwemmen wie die beiden Ströme
der großen Ebene. Sie würden die
Könige töten, die Frauen schänden und aus allen
Männern Sklaven machen. "
Ein rauher Laut des Staunens wurde abgelöst durch das wütende
Stakkato der Vokale, mit denen die Männer ihren Zorn kundtaten.
Ich wartete minutenlang, bis sich die fünf Stadtkönige
wieder beherrschten und schwiegen. Jetzt umringte ein dichter Kreis
aus Dienern, Köchen, Lö-wenabhäutern, Sklavinnen und
Sklaven, Soldaten und Tierhirten die Tische. Alle starrten sie mich
an, alle hatten den Klang und die Bedeutung meiner Worte in den
Ohren.
„Das soll nicht geschehen!" schrie ich.
„Nidaba-an in seiner Klugheit wird mir helfen, dafür
werde ich euch allen gewisse Dinge zeigen, die euch helfen können.
Und wenn ich alles erledigt haben werde, dann wird ein riesiger,
prunkvoller Zug mit mir gehen. Wir werden nach Sonnenaufgang ziehen,
um dort in mein Land zu kommen.
Das, Herrscher des Zweiströmelandes, war meine Botschaft. "
Ur-nimgal von Kish richtete sich auf, hielt sich am Tisch fest und
fragte mühsam artikuliert:
„Wo ist dieses prächtige Land, dein Land,
Lu-Atlan-gal?"
Ich drehte mich um und deutete nach Nordwesten.
„Wenn du, Ur-nimgal, zwölfmal zwölf Tage gehst,
und wenn die Müdigkeit dich dann überkommt, dann hast du
ein Zwölftel aller Doppelstunden hinter dir. Mein Land ist
unermeßlich weit entfernt. "
Ur-nimgal ließ sich auf sein Lederkissen fallen und
verdeckte das Gesicht mit den Händen.
„Anu weiß es", murmelte er. „Unfaßbar.
"
Anu, der oberste aller Götter, herrschte zusammen mit Enlil,
dem Herrscher aller Ländereien, über die Menschen dieses
Gebietes hier; ein Areal von fünfhundert Kilometern Länge
und dreihundert Kilometern an der breitesten Stelle. Adad, Innana und
Ea waren die Götter des Wetters, der Liebe und Fruchtbarkeit und
des Wassers. Enlils Brüder, Sin, der Mondgott und Schamasch, der
Sonnengott,
wachten mit ihren Strahlen über das Land. Diesen Göttern
baute man im Zweistromland Tempel, die ich gesehen hatte; mächtige,
pyramidenförmige Bauten, die sich auf den Resten ihrer
primitiven Vorgänger erhoben.
„Unfaßbar", sagte ich laut. „Aber, bei den
Augen Sins und Schamaschs, es ist die Wahrheit. Ich werde es
beweisen. "
Dann gab Nidaba-an seinen Männern einen Wink.
Die mächtigen Löwenhäute, die von Fliegenschwärmen
wimmelten und durchdringend stanken, wurden auf Speeren
vorbeigetragen. Schakale waren aus dem Gras gekommen und hatten sich
um die Kadaver gekümmert. Da jeder Herrscher Pfeile mit
besonders gefärbten Federn verwendete, entstand kein Streit. Es
zeigte sich, daß der mächtige Nidaba-an neun Löwen
erlegt hatte; vier Männchen und fünf Weibchen. Man verlud
die Felle auf einen Lastkarren, dann brachen die anderen Stadtkönige
auf.
„Alles andere kommt
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