PR TB 063 Die Tempel Des Todes
Becher hoch.
„Vor fünf Jahren gab es gegen Sonnenaufgang im Gebirge
einen Stamm von Räubern. Sie überfielen immer wieder unsere
Herden, töteten die Sab-Gal, die Hirten, vergifteten die Brunnen
und zerstörten einen der heiligen Kanäle. Wir sammelten
Soldaten, um den Stamm zu strafen.
Die Männer wurden getötet oder in die Sklaverei geführt.
Und die jungen Mädchen ließ ich zu den Priestern der
Innana bringen. Dort im Tempel wurden sie erzogen -zum Dienst im
Palast. Sie gefallen dir?"
„Die glücklichsten Sklaven sind die erbittertsten
Feinde der Freiheit", sagte ich lächelnd, „sie
gefallen mir. Alle. "
Eines der Mädchen goß einen dünnen Strahl Wein in
meinen Becher.
Plötzlich klirrten irgendwo draußen Waffen, dann hör
te ich das Grollen aus der mechanischen Kehle Shyrkals. Sekunden
später, mitten im Lärm aufgeregter Stimmen, rissen die
stählernen Krallen seiner Pfoten lange Fasern aus dem
geflochtenen Schilf. Shyrkal hetzte in langen Sätzen um die Ecke
des Korridors und brach in den Raum ein wie in einen Schafpferch. Ich
lachte laut und griff mit der Linken nach dem Krug, ehe ihn das
Mädchen fallen lassen konnte, und stellte den Becher ab.
„Ruhig, Shyrkal", sagte ich leise und schnippte mit den
Fingern.
Ich deutete auf die Liege neben mir.
Shyrkal warf sich mitten im letzten Sprung herum, stemmte die
Vorderläufe ein und legte sich vor die Liege. Er riß den
Rachen auf, knurrte und sah mich an mit blauleuchtenden Augen.
„Ruhig, Shyrkal - ich bin ohne Gefahr. "
Ich blickte Nidaba-an ins Gesicht. Er war fassungslos und wurde
ärgerlich, als ich zu lachen begann.
„Du glaubst mir noch immer nicht alles, Freund", sagte
ich.
Er nickte, offensichtlich schwer erschüttert.
„Es ist schwer, dir zu glauben, Atlan", entgegnete er.
„Deine Taten sind wunderbarer als die der Innana-Prie-ster. "
Ich schluckte trocken und erwiderte:
„Ich bin Herrscher, meinetwegen auch Händler mit
Wissen, aber ich bin kein Innana-Priester. "
„Das sehe ich", sagte der König.
„Es freut mich, daß du mir nunmehr glaubst", fuhr
ich fort. „Mädchen!"
Sie nahm den Krug wieder in die Hände, ging in einem Bogen um
den Wolf herum und blieb vor mir stehen.
„Mein Becher ist nicht voll geworden", sagte ich und
hielt das kupferne Gefäß hoch. Wieder floß Wein,
würzig und schwer wie aus den Früchten des Ölbaumes.
Nida-ba-an stand auf, trug seinen leeren Becher vor sich her, als sei
es das Zeichen seiner herrscherlichen Würde und sagte:
„Anu lächelt über dich. Sie findet Gefallen an
dir, und sie will, daß du bei mir um sie bittest. "
Ich grinste und schaute das Mädchen genauer an. „Gewisse
Sitten deines Landes, Enkel des Enlil, sind mir fremd, obgleich sie
sicherlich gute Sitten sind. Erkläre. " „Ein
Mädchen schüttet nur dem Mann, den sie liebt, den Wein in
den Becher", sagte er.
Ich deutete auf seinen Becher.
„Dein Becher ist von drei verschiedenen Mädchen je
einmal gefüllt worden. "
Nidaba-an lachte dröhnend auf, schlug mir seine Pranke auf
die Schulter, daß der Wein aus dem Becher spritzte und brüllte:
„Mich, Atlan, lieben alle!"
Ich lachte und sah das Mädchen an, das vier Meter von mir
entfernt stand. Ich war hier ein Fremder, obwohl ich die
Verantwortung für alle diese Planetarier zu tragen hatte. Ich
durchschaute den sozialen Pragmatismus des Stadtkönigs;
Nidaba-an war König kraft der Gnade Anus, sein Amt hatte er
geerbt, und seine Macht konkurrierte nur mit der jener
Innana-Priester, war aber weltlicher Art. Ich war von ihm abhängig
in meinem Kampf gegen die Dämonen, und ich mußte ihn davon
überzeugen, daß meine kulturellen Anstöße
richtig und zukunftsweisend waren. Das war meine Lage. Abgesehen von
meinem Können, der technologischen Überlegenheit und
innerhalb gewisser Grenzen war ich mächtig, frei und unabhängig.
Eines aber brauchte ich in Uruk:
Die Freundschaft Nidaba-ans.
„Dann wirst du es verschmerzen, daß du nur von neun
Mädchen geliebt werden wirst. "
Nidaba-an krallte die Finger in seinen schwarzen Bart und brummte:
„Meine Freunde sind deine Freunde, Atlan-gal. "
„Wie heißt du?" fragte ich halblaut, lehnte mich
zurück und umspannte das Knie mit den Händen.
„Ni-kagina, Atlan-gal. "
Ni-kagina. Ihr schwarzes, langes Haar war mit silbernen Spangen
hochgesteckt und ließ sie größer erscheinen. Sie
trug leichte Sandalen, einen Rock aus dünnem, geschorenem Fell,
der mit ledernen Fransen verziert war.
Kupferne
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