PR TB 063 Die Tempel Des Todes
bewegten Leuchtkreise zogen
vom Eingang durch die Halle, vorbei an dem Durchlaß zum Garten,
bis zu meinem Schlafraum. Ich stand im Dunkel des angrenzenden Raumes
und blickte durch die winzigen Zwischenräume des Wollgespinstes.
Zwei Schwerbewaffnete, drei fast nackte Männer und zwei
Sklaven, die eine dunkle Gestalt trugen, auf einer improvisierten
Bahre. Ich verstand, was gesprochen wurde.
„Auge der Innana", sagte der Soldat leise, „hier
ist nur das Mädchen. Atlan-gal ist aber hier im Hause. Ich habe
ihn hineinfahren sehen. "
Es waren Priester aus dem Weißen Tempel. Der hochgewachsene
Mann mit dem rasierten Schädel hielt eine Fackel hoch, leuchtete
damit die leere Seite des Lagers aus und drehte sich um.
„Wenn er im Haus ist, weiß er, daß wir hier
stehen", sagte er. „Wenn er so klug ist, wie es der König
denkt. "
Ich hörte gespannt und regungslos zu.
„Nimm die Fackel, Ti-annar, und suche ihn. Sage ihm, daß
wir, Priester der Gottheit, ihn zu sprechen wünschen. "
Der hochgewachsene Mann gab die Fackel weiter, faßte an das
Amulett an seiner Brust und deutete in die Richtung, in der ich
stand. Ich hob die Waffe und sah zwischen
den Beinen der Männer das blaue Leuchten der Wolfsaugen.
„Die Nacht, Priester, ist die Zeit des Schlafes, nicht die
der Gespräche", sagte ich und riß den Vorhang zur
Seite. Die hölzernen Ringe schleiften auf der Stange, und
Ni-ka-gina rührte sich unruhig.
Ich richtete den stumpfen, viereckigen Lauf der Waffe auf den
Oberpriester.
„Du sagst es, Atlan-gal", erwiderte der Mann. Er war
unglaublich gelassen, aber mir fiel schlagartig ein, daß er in
der Waffe nicht mehr als einen Gegenstand ohne jeden
Gefahrencharakter sehen mußte.
Ni-kagina rührte sich plötzlich, warf sich herum und
starrte auf die seltsame Gruppe, auf die irritierenden Lichtblitze
der Fackeln. Sie öffnete den Mund, und ich sagte scharf, auf die
Bewaffneten deutend:
„Bringt das Mädchen hinaus, wenn Männer sprechen.
Hinüber, auf die andere Seite des Gartens. "
Die Soldaten gehorchten augenblicklich; ich lächelte
Ni-kagina zu und sagte beruhigend:
„Sie sind gekommen, um mit mir zu sprechen, nicht um mich zu
töten. Dir wird nichts geschehen. "
Wir warteten schweigend, bis die Männer an mir vorbeigegangen
waren und den Raum verlassen hatten. Mit dem Geruch der brennenden
Fackeln schien eine atemlose Spannung Besitz von dem Raum zu
ergreifen.
„Du kommst in der Dunkelheit, mich zu sprechen, Priester?"
fragte ich halblaut und von einer deutlichen Unruhe ergriffen. Etwas
Außergewöhnliches mußte geschehen sein.
„Mein Name ist Lu-basher. Ich komme, weil du mir helfen
kannst. Der Tempel ist entweiht worden. "
Ich ging vorsichtig näher, den Finger um den Abzug gekrümmt.
Ich warf einen blitzschnellen Blick auf die Gestalt, die sich unter
einer Decke befand, regungslos wie ein Toter.
„Ich habe den Tempel entweiht?"
„Nein. "
„Deine Rede ist unklar, Lu-basher. Sprich deutlich,
sprich kurz und sage, was du willst. Mein Schlaf ist kostbar. "
Lu-basher nickte in die Richtung, in der Ni-kagina verschwunden
war und lächelte kurz.
„Ich weiß. Kurze Zeit, bevor die Nacht ihren Gipfel
überschritt, sahen wir Licht im Tempelhain. Wachen liefen hin,
schleuderten Speere und schössen Pfeile, und das Licht
verschwand. Mit dem Licht verschwanden drei Tempelschülerinnen
und einer meiner Priester. Das hier blieb zurück. "
Die Sklaven zogen von der Bahre die Decke weg, und ich ging
abermals einige Schritte näher. Ich hatte Schlimmes geahnt, aber
dies hier nicht. Eine weiße Gestalt, schlank, fast mager. Ein
Schädel, absolut menschlich, schmal und mit Zügen, die wie
das Bild eines konkaven Spiegels wirkten, seitlich zusammengedrängt.
Der Kopf war haarlos, und die regungslosen Augen schienen leicht
rötlich zu sein, ähnlich wie meine. Unglaublich dünne
Finger hielten einen abgerissenen Pfeilschaft, und sechs... sieben
Pfeile steckten in dem Körper. Er war in ein eng anliegendes,
leuchtendes weißes Zeug gekleidet, das wie die Borduniform
eines Raumschiffers wirkte. Ich erkannte den Toten augenblicklich.
„Innana ist mächtig", sagte ich murmelnd. „Ihr
habt getan, was kaum ein Sterblicher schaffen konnte - ihr habt einen
Dämon getötet. "
Lu-basher nickte gemessen.
„Ich wollte es von dir hören. Willst du uns alles
erklären?"
Ich zögerte. Konnte ich die Rivalität zwischen
geistlicher und weltlicher Macht für meine Pläne benützen,
ohne mir beide Kreise zum
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