PR TB 063 Die Tempel Des Todes
über
die Schulter und sagte:
„Ich sehe, du bist von Klugheit erfüllt wie die
Zisterne des Tempels. "
Ich sicherte die Waffe und erwiderte:
„Ich weiß, daß die Brunnen der Innana
überfließen, o Lu-basher."
Ich hörte sein leises Lachen, als er ging. Dann wanderte das
Licht um die Bohlen des Durchganges, und die drei Priester verließen
mein Haus. Es schien, als hätte ich einen klugen Zug in einem
Spiel getan, das übergeordnete Bedeutung besaß.
Das war geschickt. Aber ein Kampfan zwei Fronten ermüdet
sehr, sagte mein Extrasinn.
Ich lachte und ging hinaus, um Ni-kagina zu suchen.
Ich fand sie. Das Mädchen saß, in eine Decke gehüllt,
an der Seite des alten Sklaven. Ti-yaz-gar hatte seine Arme um sie
gelegt, und sie bewegten sich beide langsam wie schwankende Schiffe.
Zu schnell waren für die einfachen Gedankengänge der
Menschen die Ereignisse gekommen und gegangen, und ich fühlte
das Mitleid des Überlegenen.
„Ihr habt Angst", sagte ich. „Ich verstehe,
warum. Ich will euch eine kleine Geschichte erzählen, und ihr
werdet ohne F urcht sein. "
Ich lehnte mich gegen den Pfeiler, hinter dem der Garten war und
sagte:
„Ein Becher voller Wasser tröstet den Durstigen. Ein
Becher Wasser ist nicht viel, aber ein See enthält viele solcher
Becher. Und doch ist beides nur Wasser. Ich bin älter und
klüger, und ich bin ein wenig mächtiger als ihr. Aber
dennoch leide ich, wenn ihr leidet und lache, wenn ihr lacht. Ich
werde euch nicht quälen, denn ich hasse Qual, eigene und fremde.
Eure Angst ist grundlos. Schlafe weiter, alter Mann Ti-yaz-gar...
komm, Ni-kagina!"
Ich streckte die Hand aus und lächelte.
Der Zwiespalt konnte schlimm sein; hier war ein Mann, relativ
unsterblich, der in seinen Möglichkeiten Jahrtausende von diesen
Menschen entfernt war. Die Unmöglichkeit, mit einem Partner des
gleichen Kulturkreises zu verkehren, schaffte diese Situation. Und
ich würde stets auf Unglauben, Mißtrauen und Furcht
stoßen, auf die Furcht, die jedes denkende Wesen dem
Nichtfaßbaren entgegenbrachte. Auf einmal fühlte ich mich
unbeschreiblich allein; einsam wie eine schwankende Zeder mitten in
einer Ebene ohne Ende. Ich merkte, wie das salzige Augensekret über
meine Wangen sickerte. Ni-kagi-nas Hand lag in meiner, und ich ging
mit abgewandtem Gesicht zurück in den Schlafraum. Es war
bedeutungslos, wer sich mehr an den anderen klammerte: Ni-kagina aus
Furcht an mich oder ich aus Einsamkeit an das Mädchen.
Ein Ungewisses Licht herrschte. Die Morgendämmerung und die
drei Lichtkerne der Öllampen vermischten sich mit dem harzigen
Nebel, der noch von den Fackeln unter der Decke schwebte. Ni-kagina
drückte sich eng an mich; wir saßen am Rand der Liege. In
Kniehöhe befand sich der niedrige Tisch, auf dem drei große,
stereoskopische Vergrößerungen lagen. Sie waren von einer
meiner Robotsonden und von dem Gleiter aufgenommen worden, der den
Wolf eingesetzt hatte. Der Wolf! Er lag ruhig in dem Durchgang zum
ersten Raum.
Die Landschaft schien in dem zitternden Licht zu leben, die
Höhenlinien verschoben sich.
„Was ist das, Altan?" fragte Ni-kagina.
Sie roch angenehm nach Honig und dem öl des Ölbaumes;
ein schwerer Geruch.
„Das ist ein Bild des Landes, mit den Augen des Adlers
gesehen", erklärte ich. Die genaue Ortung hatte zweimal
große Metallgegenstände feststellen können. Das Boot
und eine Station der Fremden, die einer galaktischen Rasse entstammen
mußte. Das Boot stand am Rand eines abfallenden Hochplateaus im
Westen, dicht an den Ausläufern von Wäldern, Savannen und
Sümpfen des Uru
du-Ufers. Dicht dabei befand sich das Lager, von dem aus der
Gleiter - oder die Gleiterbesatzungen - ihre nächtlichen
Ausflüge unternahmen. Von Uruk war es in westlicher Richtung
knappe hundert Kilometer entfernt.
Ich nahm die erste Vergrößerung und einen der
mitgebrachten Schreibstifte aus meinen vier Taschen. Ich wußte,
daß biologische Untersuchungen lange dauerten, und ich
errechnete mir eine Frist von hundert Tagen, in denen ich Zeit hatte,
die Abwehrmöglichkeiten dieses Planeten zu mobilisieren. Nichts
durfte darauf hindeuten, daß die Fremden nicht mit Waffen der
Eingeborenen vertrieben worden waren. Langsam zog ich eine Linie. Sie
bedeutete nichts anderes als den Weg, den ich mit den Soldaten
Nidaba-ans gehen würde. Er führte in einer wirren Linie
entlang der Ufer, zwischen Moorseen, durch Schluchten, vorbei an
Savannen, dann in einem Umweg von hinten an das Boot heran.
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