PR TB 068 Die Säulen Der Ewigkeit
größer, stärker und geeigneter als
Verwaltungszentrum werden lassen. Menes trug die weiße Krone,
und überall im Reich war Frieden, abgesehen von belanglosem
Geplänkel mit Nomaden an den Grenzen. Aber dieses Buto saß
wie ein Sandfloh im Fleisch im Herzen des Pharaos; diese Stadt war
sein nächstes Ziel. Den Versuch, Menes dazu zu bewegen, dieses
Ziel aufzugeben, war glatte Zeitverschwendung. Buto war nach allen
Erzählungen eine schöne, reiche Stadt, die innerhalb der
Mauern nicht nur wertvolle Schätze an Gold, sondern an Bauten
und Einrichtungen aller Art besaß. Es wäre offensichtliche
Schändung, sie mit Brandkugeln, Leichenteilen und Felsen zu
bewerfen. Ich konnte mich als Unterhändler anbieten, aber was
drei Abordnungen von Memphis nicht geschafft hatten, schaffte ich
auch nicht. Eine List also. Ich wollte kein erneutes Blutvergießen
sehen, kein Morden, keine Gefangenen und keine Männer, die an
allen Arten von Seuchen und ansteckenden Krankheiten starben, noch
ehe der erste Pfeil abgeschossen war.
»Ich werde dir helfen, Hepetre«, sagte ich.
Er stand auf, nahm seinen Arm von Auben und stellte den Weinbecher
zurück.
»Ich danke dir schon jetzt, Auge des Wolfes«, sagte
er. »Außerdem bin ich betrunken. Hast du irgendwo ein
paar Palmwedel liegen?«
Ich sagte Auben, daß sie ihm einige Felle auf das Lager
meines Arbeitszimmers legen solle. Hepetre stand leicht schwankend
auf und folgte ihr wortlos; diese Aufgabe schien weniger sein Können
als sein Wollen zu übersteigen.
»Setze dich wieder, Atlan«, sagte Nefer-meryt heiser.
»Komm. Sei offen mir gegenüber
— du hast vor, einzugreifen. Wie willst du es tun?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich weiß es nicht. Noch nicht. Jedenfalls werde ich
mir etwas einfallen lassen, das wenig Blut kostet.«
Sie lädielte verständnisvoll, wurde schlagartig traurig.
»Aber das bedeutet, daß du midi verlassen wirst.«
»Ja«, sagte ich. »Aber ich verlasse dich nur, um
Wiedersehen feiern zu können. Aber dies alles dauert noch eine
Zeit... gehen wir ins Haus.«
Sie stand auf und legte ihre Hand in meine.
»Gehen wir den Träumen entgegen«, sagte sie
leise, fast flüsternd.
Im Nilkanal, der dicht am Haus entlangführte, jagte eine
Nilkobra kleine Fische oder Wasservögel. Ein mannslanger
Katzenfisch schnellte sich aus dem Wasser und fiel klatschend wieder
zurück, daraufhin erhoben sich drei Störche und flogen
davon.
Hornvipern raschelten durch den Sand, ein langer Zug Termiten
bewegte sich von den Resten eines Aases und dem oberirdischen Bau hin
und her. Jetzt begann die Zeit der Ernte, die lange Monate der
Jahreszeit Schemou dauerte, zwischen der neuen Nilüberflutung
und heute lag fast ein halbes Jahr. Ein leichter Wind rauschte in den
Mimosen, und die Hennasträucher raschelten wie Papyrus.
*
Se-nemhet stand neben meinem Gespann; es war zu der Zeit, in der
die große, sengende Dürre begann. Seine tiefliegenden,
graublauen Augen funkelten wie winzige Fenster in einer Tempelwand.
Sein langer, hagerer Körper bewegte sich kaum, nur die Finger,
die in goldenen Hüllen steckten, verrieten seine Unruhe. Der
Priester des Ptah hatte dünne, schlanke Glieder, einen
länglichen Kopf mit hellbraunem Haar und ein scharfes Kinn.
Tiefe Furchen durchzogen sein Gesicht; es war das eines etwa
vierzigjährigen Mannes, das wie von ewiger Begierde und tiefem
Kummer gezeichnet schien. Von Se-nemhet ging eine fremdartige
Strömung aus.
»Du hast dem Pharao deinen Willen aufgezwungen«, sagte
er mühsam, keuchend vor Wut. »Du hast ihm deinen Plan
gesagt der Buto fallen lassen soll.«
Ich nickte argwöhnisch.
Hüte dich, er ist gefährlich, weil er kaum weniger klug
ist als du, sagte mein Extrasinn. »Du wirst eines Tages, so wie
wir, einsehen müssen, daß es den Sonnen, Monden und
Planeten, den fernen Sternen und den kosmischen Nebeln gleich ist, ob
auf diesem Planeten ein Mensch stirbt oder Tausende. Dies ist die
Botschaft des Ptah!«
Er drehte sich um und ging, schnell, aber feierlich. In der Sonne
des frühen Morgens leuchtete die Fassade des Ptah-Tempels auf
wie ein Bauwerk aus einer anderen Welt.
Mein Gespann fuhr an.
Ich hatte fast meine gesamte Ausrüstung dabei, meine beiden
Wölfe begleiteten mich.
Von Memphis bis Buto waren es rund sechzig Stundenmärsche,
und mit dem Wagen legte ich täglich etwa sechs Stundenmärsche
zurück. Am Ende dieses langen, komplizierten und gefährlichen
Weges winkte die rote Krone von Buto — aber nur für
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