PR TB 070 Die Verlorenen Des Alls
Geräusch beim Antigravlift,
gleich darauf ging die Beleuchtung an. Dr. Wilma Sarlaya war aus dem
Schacht gesprungen. Sie machte zwei Schritte in den Raum hinein, dann
blickte sie sich suchend um.
„Ches?“ rief sie. „Bist du hier, Ches?“
Keine Antwort erfolgte.
Ihre Stimme wurde energischer. „Ich weiß, daß du
hier bist, Chester Wyland, du brauchst dich also nicht zu
verstecken.“
„Wer versteckt sich denn!“ kam es empört von
irgendwo hinter dem Geräteberg hervor. „Ich habe
gearbeitet - und ich habe auch jetzt noch zu arbeiten.“
„Komm hervor, ich habe mit dir zu sprechen.“
Zehn Meter über Wilma Sarlaya war an einem elektronischen
Analysator eine Bewegung - ein metallener Tentakel mit
Greifwerkzeugen kam zum Vorschein, dann folgte ein Wesen, halb
Mensch, halb Robot: Kopf, Arme und Beine waren humanoid, der Hals
mündete in eine dreißig Zentimeter durchmessende
Metallkugel, aus der gut zwei Dutzend glitzernde Tentakel ragten, der
Unterleib wirkte seltsam schmal und war, wie Arme und Beine, von
einem undurchsichtigen, geschmeidigen Kunststoffpanzer überzogen.
Wilma Sarlaya war den Anblick Chester Wylands schon gewöhnt;
sie kannte auch seine Eigenheiten, deshalb wartete sie geduldig, bis
er durch die Luft geschwebt war und schließlich neben ihr
stand. Sie betrachtete ihn ruhig und sagte: „Ich möchte
mit dir ernsthaft reden, Ches.“
„Muß das sein?“ Das greise Gesicht über der
Metallkugel zeigte Mißfallen.
„Ich glaube“, sagte Wilma tadelnd, „daß
dir genügend Zeit für deine extravaganten Spiele zur
Verfügung steht. Es ist also nicht zuviel verlangt, wenn du dich
für einige Minuten einmal dem Ernst des Lebens widmest.“
„Aber das Leben besteht doch aus Spaß und Spiel!“
argumentierte Wyland.
„Hör auf damit!“ fuhr ihn Wilma an. „Ich
möchte nichts von deiner kindischen Philosophie hören.
Überlasse das weitere Gespräch Psycho-Boy, mit ihm kann man
wenigstens vernünftig reden.“
Knurrend gehorchte Wyland und erteilte Psycho-Boy das Wort.
„Ches nimmt den Spaß zu ernst“, kam es über
Wylands Lippen, aber diesmal stammten die Worte aus der metallenen
Kugel des Mensch-Robot-Symbionten. Psycho-Boy war ursprünglich
ein Weck-Robot gewesen, den Flensh Tringel Chester Wyland geschenkt
hatte. Nach anfänglichen Mißverständnissen war
Psycho-Boy für den Kommandanten der Ex-EZI l immer
unentbehrlicher geworden. Diese beiderseitige Abhängigkeit hatte
schließlich zu dieser seltsamen Symbiose geführt.
Wilma kannte die Zusammenhänge nicht genau, aber sie wußte,
daß Psycho-Boy seinem
menschlichen Symbionten sämtliche Organismen ersetzte.
Physisch gesehen, bildeten Chester Wyland und Psycho-Boy eine
harmonierende Einheit, nach psychischen Gesichtspunkten waren sie
allerdings schizophren, Chester Wylands Ansicht war, daß er
sich durch die Symbiose mit dem Robot von allen weltlichen Dingen
loslösen könnte, um voll und ganz im Reich des Geistes
aufzugehen. Psycho-Boy war hingegen realistischer eingestellt. Flensh
Tringel hatte ihm unbestechliche Lernkreise eingepflanzt - er
erkannte, daß Wylands philosophische Lebensauffassung nichts
weiter als eine Schwärmerei war, die ins Uferlose führte.
Aber Psycho-Boys Wirklichkeitssinn hatte die Diskrepanz zu seinem
SymbiosePartner nur noch vergrößert, Chester Wyland machte
eine geistige Flucht nach vorne, der er aber nicht gewachsen war,
deshalb verirrte er sich im Labyrinth der Existenzphilosophie. Daran
dachte Wilma jetzt - sie hätte rundheraus sagen können, daß
Wyland nun geistesgestört war, aber sie tat es nicht, weil diese
Definition seines Zustandes nicht ganz zutraf. Es war eine Art
genialer Wahnsinn: Von sich aus gesehen war Wyland normal, die
anderen konnten ihm geistig nicht folgen. Wylands psychische Flucht
endete in einer Phantasiewelt, die der eines Kindes sehr ähnelte.
Das wollte Psycho-Boy auch ausdrücken, als er eben gesagt hatte:
„Ches nimmt den Spaß zu ernst.“
„Vielleicht wird er noch einmal erwachsen“, meinte
Wilma. Sie seufzte. „Aber ich bin nicht hergekommen, um darüber
mit dir zu diskutieren.“ Sie sprach den Mensch-Robot-Symbionten
immer in der Einzahl an. „Ich möchte von dir wissen, ob
gestern abend einer der Museumsbesucher sich vielleicht nach Deck
fünfzehn verirrt hat.“
„In die Ezialistische Abteilung?“ Psycho-Boy
schüttelte Wylands Kopf. „Hier oben war niemand. Es ist ja
für die Besucher verboten, über Deck zehn hinauszugehen.“
„Es
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